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Er ist potent, Sie kompetent

■ Die Ausstellung »Werbung für Prostitution?« im Museum für Verbotene Kunst

Sex ist nach wie vor das Thema Nummer eins der Nation. Ob Stammtisch oder Kaffeekränzchen, Boulevardpresse oder Illustrierte — wenn das Wer-mit-wem- und-wie zur Debatte steht, werden müde Ohren hellhörig und trübe Blicke wach. Da verwundert es nicht weiter, daß die Werbung seit jeher dieses Lieblingsthema von Deutschen und dem Rest der Menschheit für sich gepachtet hat. Mal als Andeutung, wenn der kirschrote Kußmund mit zartem Zungenschlag die Schokoglasur auf dem Vanilleeis knackt, mal als nackte Tatsache, wenn blanke Brüste die Titelseiten der Illustrierten zieren — Sex ist das ideale Medium zur Umsatzsteigerung.

Im krassen Gegensatz dazu steht die Tatsache, daß Werbung für sexuelle Dienstleistung, sprich Prostitution, nach wie vor verboten ist. Im Paragraph 120 (OWiG) heißt es: Ordnungswidrig handelt, wer durch Verbreiten von Schrift-, Ton- oder Bildträgern zu entgeltlichen sexuellen Handlungen aufruft, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt. Fein säuberlich wird da eine Trennungslinie gezogen, die nach verstaubter Doppelmoral riecht: Auf der einen Seite ist der anständige, weil dem Wirtschaftswachstum förderliche Sex, auf der anderen Seite der moralisch verwerfliche, der für den Geldbeutel der Anbieterin bestimmt ist.

»Werbung für Prostitution?« heißt die Ausstellung, die die Kolleginnen von »Nutten und Nüttchen« (N.u.N.) und »Lulu O.« zur Zeit im »Museum der Verbotenen Kunst« zeigen. In dem knapp zehn Quadratmeter großen Raum im letzten Wachturm der Berliner Mauer hängen fotokopierte Plakatentwürfe, die Hausaufgabe eines dreiköpfigen Teams von HdK-Schülern. »Wir sind Freier und wollen nicht, daß die Prostituierten Unfreier sind« steht in einem weißem Kästchen am oberen Rand der Schwarzweißfotografie, die Priester mit Kutte in Reih und Glied von hinten zeigt. Der Text am Rand erklärt dem Betrachter, daß Prostituierte kein Recht auf Klage haben, wenn ein Freier sie um die Bezahlung für erbrachte Dienstleistungen prellt. Eine Serie von Paarfotos zeigt Freier und Prostituierte, beide gutaussehend und jung. Sie halten sich an der Hand oder im Arm und könnten genausogut Hans und Sabine von gegenüber sein. Dazu gibt es knappe Sprüche, die aus dem Mund eines Werbetexters stammen könnten: »Er hat ein Recht auf seine Lust und Sie Lust auf ihr Recht« oder: »Er ist potent und Sie kompetent«. Neben dem Bild steht der entklausulierte Text der Gesetzesvorlagen, die den Prostituierten das Leben schwermachen. Die in Zusammenarbeit mit den Frauen der Hurenorganisation erstellten Werke beschäftigen sich nicht inhaltlich mit dem Thema Werbung, sondern sind selber als solche konzipiert. Lediglich die Collagen der Huren selbst sind mit sexuell anzüglicher Werbung in Text und Bild zusammengestellt.

»Weil der Inhalt dieser Plakate gesetzeswidrig ist, halten wir das Museum für Verbotene Kunst für den angemessenen Platz für diese Ausstellung«, sagt Laura von N.u.N.. Als spaßorientierte Ableger von »Hydra«, der zentralen Berliner Hurenorganisation, vertreten die selbstbewußten Frauen von N.u.N. ihre Forderungen mit Umzügen, Sketchen und Kulturveranstaltungen. Hauptanliegen der Sextechnikerinnen, wie sie ihren Beruf bezeichnet wissen möchten: die Gleichstellung des ältesten Gewerbes mit anderen Dienstleistungsberufen.

Auf dem Boden des kleinen Ausstellungsraums klebt unter Plastikfolie der Originaltext der Paragraphen, die sich mit Prostitution befassen. Daneben eine von den Grünen überarbeitete Fassung, in der die Gesetze im Interesse der Huren neu formuliert wurden. Maxi von N.u.N.: »Für das auslaufende Jahrtausend sind diese Sittenparagraphen einfach überholt.« Jantje Hannover

Jeweils Sa. und So., 15-18 Uhr, Museum für Verbotene Kunst, Letzter Wachturm der Berliner Mauer, Puschkinallee/Schlesische Straße

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