PRESS-SCHLAG
: Von Plautus bis Augustus

■ Heute findet in Nürnberg die Deutsche Meisterschaft im Faustball, dem Sport der alten Römer, statt

Und ich hörte wohl ein lebhaftes Klatschen von etwa 4.000 bis 5.000 munteren Menschen“, notierte sich Johann Wolfgang Goethe 1786 in seine Veroneser Aufzeichnungen, bevor er zum ersten Mal hinter den italienischen Hügeln einem Faustballspiel zuschaute. Indes hatte der Faustballsport zu Goethes Zeiten schon jede Menge Reifezeit und Tradition hinter sich. Selbst Augustus, seines Zeichens römischer Unterdrücker, ließ der Legende nach seine leiblichen Lebensfreuden zugunsten eines Faustballspiels jederzeit links liegen. Im Alter, so heißt es, habe er sogar Fechten und Reiten samt und sonders vernachlässigt, um sich dem „Ballonspiel“ zu widmen.

„Entdeckt“ wurde der Faustballsport allerdings vom römischen Komödiendichter Titus Maccius Plautus um 298 v.Chr., doch sind seine Papyrusaufzeichnungen über das Regelwerk nur noch teilweise vorhanden. Die antikeste Form stammt daher vom Italiener Antonio Scaino um 1555, der selber mit Vorliebe dem Spiel mit dem 350 bis 380 Gramm leichten Lederhohlball (65cm Umfang) frönte und ihm in seiner Ausarbeitung Trattato del giuoco della palla einen Ehrenplatz einräumte. Vor allem als Ausgleich für Geistesarbeiter war dieses Spiel unentbehrlich, und so mancher große Dichter fand wohl seine Ideen beim Faustball (siehe Goethe). Nun, auch vor Scainos Regelwerk machten moderne Reformen nicht halt, und heute noch streiten sich die Experten über eine einheitliche Auslegung.

Nur oberflächlich gleicht Faustball einem Volleyball-Match. Das Spielfeld ist 20 Meter breit und 50 Meter lang, wobei der Ball zwischen jedem Schlagen einmal auf den Boden tipsen darf. Das Netz wird durch ein 5cm dickes Band ersetzt und darf weder vom Ball noch vom Akteur berührt werden. Drei Annahmen von jeweils verschiedenen Aktiven werden pro Spielzug zugelassen, wobei sich die Schlagfläche bis zum Ellenbogen herunterzieht. Die Faust muß jedoch stets geschlossen bleiben. Gespielt wird zweimal 15 Minuten. Während sich ein Zuspieler sowie je zwei Angreifer (Schlagleute) und Abwehrleute auf dem Rasen tummeln (bei drei Auswechselspielern), darf auch bei Nichtaufschlag gepunktet werden. Jenes Team, das dann den Punkt verliert, bekommt dafür den Aufschlag. An der Spielfeldgrenze darf übergetreten werden, was vor allen Dingen Julius Cäsar beeindruckt haben soll, der gerne Grenzen überschritt. In der Bundesliga stehen an einem Spieltag meist drei bis vier Matches auf dem Programm, wobei von den je elf Mannschaften der Nord- und Südtabelle zwei direkt absteigen und zwei weitere in die Relegation müssen. Interessanterweise dürfen nach den neuen Richtlinien nur jene Vereine am Bundesliga-Spielbetrieb teilnehmen, die auch über eine eigene Jugend-Mannschaft verfügen. Damit soll die Nachwuchsarbeit gefördert werden.

Klar, daß angesichts dieser Tradition auch die diesjährigen Deutschen Faustball-Meisterschaften am 11.Juli in Nürnberg ein großes „Happening“ werden. Neben Gastgeber Nürnberg-Eibach, haben sich der TKD Duisburg, Rot-Weiß Koblenz, Moslesfehn, SV Wackerburghausen und Abonnements-Meister TSV Hagen qualifiziert. Die Hagener räumen zur Zeit auf nationaler und internationaler Ebene alles ab, was zu holen ist und treten würdig in die Fußstapfen der alten Römer.

Als Geheimtip werden die „Fäustler“ aus Duisburg gehandelt, wo der Sport noch ein wahres Familienfest ist. Neben den Bundesliga-Herren treffen sich beim wöchentlichen Training noch drei Damen-Teams, pausbäckige Kinderchen, sowie A- und B-Jugend. Das Ergebnis ist ein munteres (Ball-)Gehopse auf dem TKD-Gelände. „Vor allem das Familiäre und die Kameradschaft sind beim Faustball toll“, so der 38jährige Peter Leysing, der im Alter von fünf Jahren seine ersten Versuche unternahm und zwei Deutsche Meisterschaften feierte.

Obwohl die Römer im Rahmen ihrer Eroberungsfeldzüge weit herumkamen, ist Faustball heute ein recht exotischer Sport. Außer in Deutschland wird lediglich noch in Österreich, Italien, Dänemark, Brasilien, der CSFR, Argentinien, Chile, Paraguay, Namibia und der Schweiz ausschweifend gefaustet. Auch wenn Faustball schon auf altgriechischen Kupferstichen auftauchte, ist er keine olympische Disziplin.

Legende bleibt allerdings, daß Goethe seinen Faust nach dieser Feldsportart betitelte. Den alten Johann sollen sowieso vielmehr die „schönen Stellungen der Athleten, die es wert sind, in Marmor nachgebildet zu werden“, als das Spiel selber interessiert haben. Roland Leroi