Rabin will mehr als die „Mehrheit“

Israels designierter Ministerpräsident verkündet Bildung einer mehrheitsfähigen Koalition seiner Arbeitspartei mit Meretz und Shass/ Zukünftige Regierung soll aber auf breiterem Bündnis beruhen  ■ Von Amos Wollin

Tel Aviv (taz) — Der designierte israelische Ministerpräsident Jizchak Rabin hat Staatspräsident Chaim Herzog gestern offiziell mitgeteilt, daß er eine mehrheitsfähige Regierungskoalition gebildet hat. Denn die in der Nacht zum Freitag abgeschlossenen Abkommen mit dem linksliberalen Parteienbündnis „Meretz“ und der orthodox-religiösen Fraktion der sephardischen Juden, „Shass“, sichern Rabin bereits jetzt eine — wenn auch knappe — Mehrheit von zwei Knesset-Sitzen.

Doch mit Blick auf die weitreichenden Entscheidungen, die diese Regierung vor allem im Rahmen der anstehenden Autonomieverhandlungen mit den Palästinensern wird treffen müssen, versucht Rabin, seine Koalition auf eine breitere Grundlage zu stellen. Zwei Tage vor der ersten Sitzung der neuen Knesset, auf der das neue Kabinett vorgestellt werden soll, verhandelt Rabin noch immer mit der rechts vom Likud stehenden Partei „Tsomet“ und der orthodox-religiösen Gruppierung „Thora Judaismus“.

Die Führer beider Fraktionen sind an einer Regierungsbeteiligung interessiert, zögern einstweilen aber noch mit definitiven Zusagen, weil sie sich davon eine Verbesserung ihrer Chancen versprechen, Rabin auf ihre Bedingungen festzulegen. Dabei geht es vor allem um die Besetzung von Ministerposten des neuen Kabinetts.

Auch innerhalb der Arbeitspartei tobt zur Zeit ein Kampf um die Positionen, dessen Ausgang noch ungewiß ist. Der frühere Labour-Vorsitzende und Rabin-Gegenspieler Schimon Peres ist für die Position des Außenministers im Gespräch, doch sollen die „Autonomie-Verhandlungen“ mit den Palästinensern dann nicht in den Zuständigkeitsbereich dieses Ministeriums fallen. Peres will aber das Außenministerium entweder „ganz“ — oder stattdessen das Finanzministerium. Diese Position hat Rabin aber für Kandidaten vorgesehen, die ihm politisch näher stehen als Peres, der außerdem noch die Ernennung zum stellvertretenden Ministerpräsidenten anstrebt.

Aus den bereits unterzeichneten Koalitionsabkommen geht hervor, daß Meretz drei Ministerien besetzen wird, darunter das Einwanderer- Ministerium. Meretz-Führerin Shulamit-Aloni wurde zur Erziehungs- und Kultusministerin ernannt, sehr zum Leidwesen der religiös- orthodoxen Koalitionspartner, denen denn auch die beiden Vizeminister-Posten zugesichert wurden. Der derzeitige Innenminister Deri von Shass wird seine Position behalten.

Ein Zusatz zum Abkommen mit Meretz gibt der Partei das Recht, vom Kurs der Regierung abweichende öffentliche Erklärungen abzugeben. Das betrifft vor allem die Befürwortung einer Beteiligung der PLO an den Nahostverhandlungen und voller palästinensischer Selbstbestimmung im Gazastreifen und in der Westbank. Falls die Regierung binnen Jahresfrist nicht die Initiative ergreift, wird Meretz auch zugebilligt, eine Änderungsvorlage zur Abschaffung jener Gesetze einzubringen, die bislang Kontakte mit der PLO unter Strafe stellen.