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Die neue Rolle der WEU

■ Das Westeuropäische Verteidigungsbündnis wird zum europäischen Pfeiler der Nato

Brüssel (ap) — Die WEU tritt aus dem Schatten der Nato: Nachdem die 1954 als „Beistandspakt“ gegründete Westeuropäische Union in der Zeit des Kalten Krieges ohne größere politische Bedeutung geblieben war, könnte sie nun zum ersten Mal ihre Rolle als „europäischer Pfeiler“ der Nato wahrnehmen. Ganz so wie es bei den Maastrichter EG-Verhandlungen von 1991 beschlosssen worden war.

Die Rolle des Verteidigungsbündnisses, zu dem alle EG-Staaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Griechenland gehören, hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre geändert: Mit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ hatte die Nato nicht nur mit einem „Selbstverständnisverlust“ zu kämpfen, zugleich wuchs auch das Selbstbewußtsein der Europäischen Gemeinschaft.

Im einzelnen sieht der Maastrichter Vertrag „auf längere Sicht“ die Festlegung einer „gemeinsamen Verteidigungspolitik“ der EG vor, die „durch die Westeuropäische Union ausgearbeitet und durchgeführt werden soll“. Das bedeutet auch den Aufbau eigener Streitkräfte.

Dies jedoch will die USA nicht hinnehmen: Da die WEU-Mitglieder zugleich auch der Nato angehören, beansprucht sie den Zugriff auf die WEU. Nicht zuletzt könnte sie sich so auch ihren politischen Einfluß in Europa sichern.

Die Doppelrolle der WEU wurde eindeutig vorgezeichnet in der Osloer Erklärung der Nato-Außenminister vom 4. Juli 1992: „Wir erneuern unsere Unterstützung für das Ziel, die WEU als Verteidigungskomponente der Europäischen Union und als Mittel zur Stärkung des europäischen Pfeilers der Atlantischen Allianz zu entwickeln.“ Da aber eine solche Zweiteilung der Aufgaben der WEU nach Meinung der meisten Experten wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten nur sehr schwer machbar ist, wird für die nächsten Jahre eine handfeste politische Auseinandersetzung darüber erwartet, wer letztlich über das Sicherheitsinstrument WEU verfügen wird. Diplomaten vermuten, daß die WEU um so eher ein Werkzeug der Europäer werden dürfte, je kräftiger sich die mit Maastricht angestrebte politische Union der EG entwickeln wird.

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