James Baker will Taten sehen

■ Jugoslawischer Regierungschef Panic reist überraschend nach Helsinki/ Treffen mit dem US-Außenminister und dem kroatischen Präsidenten Tudjman/Neue Friedensinitiative Carringtons

Sarajevo (afp/ap/dpa) — Der neue Regierungschef von Rest-Jugoslawien, Milan Panic, wollte sich nicht an den internationalen Urteilsspruch halten: Obwohl der aus Serbien und Montenegro bestehende Staat am vergangenen Mittwoch für 100 Tage von den Beratungen der KSZE ausgeschlossen worden war, reiste der Millionär mit dem US-amerikanischen Paß am gestrigen Freitag zum Gipfeltreffen der 51 Staatschefs nach Helsinki. Dort traf er nicht nur mit US-Außenminister James Baker und dem russischen Außenminister Andrej Kosyrew, sondern auch mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zusammen. Dieser kommentierte die überraschende Anreise des Serben trocken: „Der Ministerpräsident Jugoslawiens ist in Schwierigkeiten.“

Baker forderte Panic auf, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Jedoch, so der US-Außenminister nach einem 45minütigen Gespräch, habe dieser auf viele Fragen keine zufriedenstellenden Antworten geben können.

Während KSZE, WEU und Nato sich in Helsinki in militärischen Drohgebährden übten, startete die EG eine neue Verhandlungsinitiative. Lord Carrington, ihr Chefunterhändler für Jugoslawien, will die Konfliktparteien für kommenden Mittwoch zu Friedensgesprächen einzuladen: „Man kann keinen Frieden bringen, wenn die Leute das Kämpfen nicht beenden wollen.“ Verhandlungen „und sicher nicht Waffengewalt“ seien die einzige Möglichkeit zur Lösung der Probleme.

Eine Lösung bei den Versorgungsproblemen der bosnischen Hauptstadt Sarajevo kündigte sich am Freitag an. Nach tagelangen Verhandlungen einigten sich die Vertreter der UNO-Friedenstruppen mit den serbischen, kroatischen und moslemischen Kampfverbänden auf die Errichtung eines Landkorridors, durch den von Split aus Hilfslieferungen nach Sarajevo gebracht werden sollen. Die Strecke würde durch von Kroaten kontrolliertes Gebiet führen. Am Donnerstag landeten insgesamt 104 Flugzeuge mit Hilfslieferungen in Sarajevo. Inzwischen kann täglich rund die Hälfte der 300.000 Einwohner Sarajevos mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden.

Unterdessen haben sich die kriegsführenden Parteien in Bosnien-Herzegowina auch in der Nacht zum Freitag wieder heftige Artilleriegefechte geliefert. In den Bergen rings um Sarajevo kämpften Infanterie-Einheiten gegeneinander. Zum ersten Mal seit Beginn der Friedensmission der Vereinten Nationen in der bosnischen Hauptstadt wurde auch ein UNO-Soldat schwer verletzt. Der Kanadier trat auf eine Mine, als er versuchte, einen Stacheldrahtzaun zu errichten.

Auch aus dem Norden Bosnien- Herzegowinas wurden schwere Gefechte gemeldet. Ebenfalls umkämpft waren der Berg Velez bei Mostar sowie der Landstrich zwischen der kroatischen Hafenstadt Dubrovnik und der Serbenhochburg Trebinje im Osten Bosniens. Das slowenische Fernsehen zeigte am Donnerstag Bilder von Versuchen serbischer Milizen, einen Korridor zwischen Serbien und der in Kroatien gelegenen serbischen Region Krajina freizukämpfen. her