: Die Mauer soll Belfast mit Berlin verbinden
■ Immer mehr Städte aus der ganzen Welt suchen eine Partnerschaft mit Berlin/ Nach Mexiko-City, Buenos Aires und Djakarta streckt jetzt auch Belfast die Fühler aus/ Im Berliner Senat stößt nur das reiche Tokio auf Gegenliebe
Berlin. Es ist die Mauer, die Belfast und Berlin verbinden soll. Berlin hatte seinen »antifaschistischen Schutzwall«, Belfast hat heute noch die peace line. Trotz aller Unterschiede sei das doch eine »Ähnlichkeit«, sagt Nigel Dodds, der bis Juni das Bürgermeisteramt in Belfast innehatte. Dodds Parteifreunde von der protestantischen »Democratic Unionist Party« sind sich ausnahmsweise einig mit den Katholiken von Belfast: Beide denken daran, an Berlin die Idee einer Städtepartnerschaft heranzutragen.
»Das wäre eine großartige Idee«, sagt Parteiassistent Ian Paisley, der Sohn des gleichnamigen radikalen Protestantenführers. Die peace line in Belfast sei zugegebenermaßen eine »sehr, sehr kleine Mauer«, die nur über wenige Meilen protestantische und katholische Viertel trennt. Auch der Zweck des scharf bewachten Bauwerks sei ein anderer als bei der Berliner Mauer: In Belfast dient die Mauer dazu, Katholiken und Protestanten voreinander zu beschützen. Dennoch, glaubt Paisley, wäre eine twinship mit der Hauptstadt Deutschlands »sehr ermutigend« für die Belfaster und könnte ihnen auch wirtschaftlich helfen.
Noch steht ein Beschluß des Belfaster Stadtrates aus. Doch schon bevor die Nordiren ihr Gesuch offiziell an den Senat herangetragen haben, schlagen die Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) schon innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Städtepartnerschaften habe die Stadt jetzt schon fast mehr als genug. »Wir haben eigentlich bereits unsere Kapazitätsgrenze erreicht«, bekennt Heinz Fanselau, der im Roten Rathaus die jumelages betreut.
Mit Los Angeles, Paris, Madrid, Moskau und Warschau hat Berlin bereits feste Partnerschaften. Ende August wird der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) in Budapest einen Partnerschaftsvertrag mit der ungarischen Hauptstadt unterzeichnen. Prag hat ebenfalls Interesse bekundet und wird damit wohl auch auf Gegenliebe stoßen.
Auch außerhalb Europas richten sich die Blicke vieler Oberbürgermeister und Stadtpräsidenten auf die deutsche Botschaft. Mexico City, Buenos Aires und die indonesische Kapitale Djakarta haben den Wunsch nach einer Partnerschaft geäußert. »Es fehlt nur noch, daß sich Städte wie Punta Arenas an der Magellanstraße melden«, sagt ein Diepgen- Mitarbeiter.
Schon die Partnerschaften mit Osteuropa belasten den Berliner Etat, heißt es im Roten Rathaus. Kommen Moskauer Vertreter zu Besuch, muß Berlin in der Regel den Flug bezahlen, da die russische Hauptstadt diese Reisen nicht bezahlen kann. Mit großem Wohlgefallen blicken die Außenpolitiker im Senat deshalb nur auf eine einzige Bewerberstadt: das reiche Tokio. Der Gouverneur der japanischen Metropole habe bereits »Interesse« an einer »intensiveren Zusammenarbeit« bekundet und der Senat darauf mit »großem Interesse« reagiert, sagt Fanselau.
Belfast dagegen müßte sich wahrscheinlich mit einem Berliner Stadtbezirk begnügen: Berlin-Mitte knüpfte schon vor knapp zwei Jahren Kontakte nach Nordirland. Weil die Belfaster sich noch uneinig waren, kam es zu keiner Partnerschaft. Doch im Herbst reisten 20 Ostberliner Jugendliche auf Vermittlung des Bezirksamtes nach Belfast, im März kamen Belfaster Jugendliche zum Gegenbesuch nach Mitte.
Bezirksamtsmitarbeiterin Petra Krug hat dabei gelernt, daß die Feindseligkeiten zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland immer noch ganz andere Dimensionen haben, als der Ossi-Wessi-Streit in Berlin. Auf Besuch in Mitte hatten ein katholischer Junge und ein protestantisches Mädchen miteinander angebandelt. Schon beim Abflug, so Krugs Erinnerung, wußten die beiden Nordiren eins: In Belfast würden sie ihre Beziehung nicht fortsetzen können. hmt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen