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Monatsmarken fürs Autofahren

■ Finanzchaos vor der Bahnreform/ Krause will Mineralölsteuer nicht erhöhen — CSU-Verkehrspolitiker Jobst will/ Die rettende Idee aus dem Verkehrsministerium: Monatsmarken statt Vignetten

Berlin (taz) — Einen Tag vor wichtigen Kabinettsentscheidungen zur Verkehrspolitik haben die wichtigsten Bonner Ministerien einen Trampelpfad aus der chaotischen Finanzdiskussion der vergangenen Tage vorgezeichnet. Sprecher des Verkehrsministerium und des Finanzministerium betonten gestern unisono, die Bahnreform solle mit einer Straßenbenutzungsgebühr bezahlt werden, eine Mineralölsteuer stehe nicht zur Debatte. Und Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) machte in Bild einen Rückzieher: Unterm Strich werde das Autofahren nicht teurer werden. Am Wochenende hatte er noch rund 30 Prozent Mehrkosten für Deutschlands Autofahrer angekündigt.

In den Koalitionsparteien war man allerdings von der Kompetenz der eigenen Minister nicht mehr recht überzeugt. Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Dionys Jobst (CSU), erklärte mehrfach, eine Mineralölsteuererhöhung sei für die Bahnreform unumgänglich — auch wenn er damit anderer Auffassung ist als sein Parteichef, Finanzminister Theo Waigel. Zehn Pfennige mehr jetzt und noch einmal zehn Pfennige 1994 im Rahmen der EG-Angleichung seien auch sozial vertretbar. Der CDU-Umweltpolitiker Klinkert begrüßte Überlegungen zur Erhöhung der Mineralölsteuer für eine ökologischere Verkehrspolitik.

Hintergrund der ganzen Debatte ist ein Koalitionspapier, auf das sich CDU/CSU und FDP Ende Juni in Bonn geeinigt hatten. Darin heißt es, die Reform der Bundesbahn könne „nicht allein aus dem Bundeshaushalt“ bestritten werden. Im Finanzministerium wird die Formel inzwischen umgedeutet. Dort heißt es, die Bahnreform könne „nicht bestritten werden aus den normalen Haushaltsmitteln“ — will heißen, Theo Waigel plant dafür keine müde Mark ein. Vielmehr solle Krause auf der EG- Ebene die Schwerlastabgabe zur Finanzierung durchsetzen. „Erst wenn das nicht funktioniert, wird man sich erneut Gedanken machen müssen“, so die Sprecherin Waigels.

Vorschläge für das genaue Konzept der Straßenbenutzungsgebühr lagen gestern im Finanzministerium noch nicht vor. Der Sprecher des Verkehrsministers, Hans-Jürgen Scholz, sagte aber, in seinem Haus favorisiere man nicht mehr die Vignette, für die jährlich eine Gebühr entrichtet wird. Vielmehr sollen die Zeiträume, für die mit der Gebühr bezahlt wird, „deutlich unter einem Jahr liegen“. Diese Monatsmarke sei sinnvoller, weil sie erlaube, wenigstens ein Stück zwischen Vielfahrern und Wenigfahrern zu unterscheiden, und die Wenigfahrer auch weniger zu belasten. Die Marken würden zwar einen gewissen Verwaltungsaufwand erfordern, räumte Scholz ein, aber ohne Straßenbenutzungsgebühr könnten die ausländischen Laster bei der Durchreise durch die Bundesrepublik nicht richtig zur Kasse gebeten werden. „Die LKWs mit dem 800-Liter-Tank fahren bei einer höheren Mineralölsteuer einfach durch die Bundesrepublik durch“, so Scholz.

Die SPD reagierte hämisch auf die Finanzdebatten in der Union. Der finanzpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Joachim Poß, ätzte, „die Union gleicht derzeit steuerpolitisch einem Hühnerhaufen, in dem jeder vor sich hin gackert“. So harsch wollte es ein Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion Bajohr nicht sagen. Aber auch er räumte gestern ein, daß es Interpretationsspielräume gebe.

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