: Olympia-Sprecherin: Berlin ist nicht wählbar
■ IOC-Mitglied Tröger: »Dummes Zeug«/ Inzwischen dementiert die IOC-Sprecherin die Zitate/ Diepgen morgen in Barcelona
Berlin/Barcelona. Volle Breitseite gegen Berlin als Bewerberin um die Olympischen Spiele: Die Sprecherin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Michèle Verdier, hält Berlin wegen der Affäre um die »IOC-Intim-Kartei« als Olympiastadt für nicht mehr wählbar. Am vergangenen Dienstag sagte die Sprecherin in der spanischen Olympia-Stadt Barcelona: »Nach dem Bekanntwerden der Dossier-Aktion über Privatleben und Sozialverhalten der IOC-Mitglieder und der Angriffe auf IOC-Präsident Samaranch in einigen deutschen Medien können 92 IOC-Mitglieder den Bewerber Berlin nicht wählen. Und es ist sogar die Frage, ob dies die deutschen IOC-Mitglieder Walther Tröger und Thomas Bach dürfen«, zitierte der Sport-Informations-Dienst (sid) die Sprecherin. Ohne eigene Leistung hätten sich die Chancen für Peking und Sydney verbessert.
Verdier rede »dummes Zeug«, sagte Tröger zur taz. Denn den IOC- Mitgliedern könne niemand vorschreiben, welcher Stadt sie für Olympia 2000 den Zuschlag geben, da die Mitglieder nur ihrem Gewissen verpflichtet seien. Wenn im September kommenden Jahres die Entscheidung für eine der acht Bewerberstädte falle, »werde ich für Berlin stimmen«, so Tröger. Für den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees Deutschland (NOK), Willy Daume, zeigte Verdiers Stellungnahme dagegen, welche Auswirkungen die jüngsten Vorfälle auf die Stimmung für Berlins Olympia- Bewerbung habe. Nun will sich Eberhard Diepgen in Spanien in der Kunst der Schadensbegrenzung üben. Der Regierende Bürgermeister werde morgen in Barcelona auf die Vorwürfe eingehen, wenn er das Konzept Berlins vorstelle, berichtete Senatssprecher Eduard Heußen.
Als Verdier auf Anfrage der taz erklären sollte, warum die IOC-Mitglieder nicht für Berlin stimmen könnten, widersprach sie dem Bericht des sid: »Das habe ich überhaupt nicht gesagt.« Sie habe mit dem Journalisten von sid lediglich ein privates Gespräch geführt. Worum es in der Unterredung gegangen ist, erläuterte Verdier nicht. Michael Oberdieck, Chefredakteur beim Sport-Informations-Dienst, blieb bei der Darstellung seiner Agentur. Verdier habe sich offiziell und mit den zitierten Worten geäußert.
Eberhard Diepgen und Axel Nawrocki, Chef der Berliner Olympia GmbH, werden morgen in Barcelona Berlin als zweite der insgesamt acht Bewerberstädte für Olympia 2000 vorstellen. Zur Delegation zählen auch Hanna-Renate Laurien, Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Sportsenator Jürgen Klemann sowie Ex-Italien-Botschafter Friedrich Ruth.
Die PDS riet dem Bürgermeister, nicht nach Barcelona zu fliegen. Der Senat sollte endlich das Scheitern der Berliner Bewerbung eingestehen — weiterhin dreistellige Millionenbeträge in den Sand zu setzen, sei nicht zu rechtfertigen. Auch Boris Becker wendet sich gegen die Austragung von Olympia 2000 in Berlin. Grund seien die negativen Äußerungen, die er und seine dunkelhäutige Freundin ertragen mußten. Es gebe genug Rechtsradikale, die wieder von der Herrenrasse zu reden beginnen, sobald die Deutschen bei Olympia Medaillen abräumten. diak
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