: Rasen ohne Lärm und Gestank
Am Mendelpaß in Südtirol fand bei strahlendem Sonnenschein das einzige Bergrennen der Welt für Solar- und Elektroautomobile statt ■ Von R.Kuntzke und C.Hauch
Bozen (taz) — Bibbernd und leise fluchend sitzt Franco Morghen in seinem Flasch M5. Die Regentropfen überziehen die Solarzellen des Monopostos mit einem feinen Film. Die Ladeleistung ist gleich null. Der riesige Regenschirm, den ihm sein Techniker reicht, hilft auch nur wenig gegen die kalte Nässe, die an den elektrischen Leitungen und an Francos Beinen hinaufkriecht. Der Testlauf zum weltweit einzigen Bergrennen für Solar- und Elektromobile auf der Mendelpaßstraße in der norditalienischen Provinz Südtirol steht kurz vor dem Abbruch.
Dies wäre ein schwerer Schlag, denn in diesem Jahr läuft die erste Rennsaison mit international anerkanntem Reglement. Die Solar- und Elektromobile sind nun in der Welt des Autosports ernsthaft aufgenommen, und das Mendelrennen gilt als Teststrecke für die technische Entwicklung dieser Gattung.
Der Kurs an der Mendel gehört zu den großen Klassikern im Automobilsport. Fast 50 Rennen wurden bislang auf der engen Bergstraße durchgeführt, die sich von Eppan oberhalb Bozens in 16 Haarnadelkurven zur Provinzgrenze auf den Mendelpaß hinaufwindet. Vor drei Jahren kam das vorläufige Ende. Verschiedene Initiativgruppen und der Südtiroler Bauernbund setzten wegen der Umweltbelastungen ein Verbot des Bergrennens für Verbrennungsmotoren durch.
Der Rennstall Dolomiti, Organisator des Rennens, zeigte Flexibilität und sattelte auf Solar- und Elektroautos um. „Wir konnten die Tradition des Mendelrennens nicht sterben lassen, dafür ist es in der Sportgeschichte zu wichtig“, erläutert Klaus Trettl von der Scuderia Dolomiti, der hier selbst fünfmal das klassische Rennen der Benziner fuhr.
Am Renntag strahlt die Sonne. Die Regenschirme bleiben zusammengerollt. Die Tragflächen der Solarmobile recken sich dem himmlischen Energiespender entgegen, während die Elektroautos noch am Tropf der Elektrizitätswerke hängen. Das neue Mendelrennen, das als dritter Lauf zur Italien-Meisterschaft zählt, verläuft auf der klassischen Strecke und ist zehn Kilometer lang. Die Piloten der solaren und elektrischen Kisten müssen rund 700 Höhenmeter überwinden und eine durchschnittliche Steigung von 6,5Prozent bewältigen. Der Mendelkurs ist somit die mit Abstand schwerste Prüfung für Solar- und Elektroautos, die sonst nur auf Flachlandstrecken ihre Wettkämpfe austragen. Gestartet wird an der Mendel in vier Leistungskategorien: Solarmobile, modifizierte Serien-Elektroautos, Monopostos sowie Prototypen. Im Gegensatz zum Vorjahr, als das erste Mendelrennen dieser Art durchgeführt wurde, gibt es heuer zwei Durchläufe, zwischen denen die Batterien nicht aufgeladen werden dürfen.
Für alle Piloten war der Ottomotor gleichsam die Einstiegsdroge in den Rennsport. Marcelo Padin, Herausgeber der einzigen italienischen Fachzeitschrift für elektrisch betriebene Autos, und Riccardo Falci vom Team Egraf aus Florenz erklären das Engagement der Fahrer und Techniker: „Zunächst begeisterten uns die FormelI und die klassischen Rennen für Benzinmotoren. Aber hier ist die Entwicklung so langsam ausgereift. Der technische Reiz liegt heute für uns bei den Solar- und Elektroautos.“ Hier entstünden die notwendigen Innovationen, die den Verkehrsinfarkt in den Städten verhindern können.
Einige Zuschauer an der Piste, Einheimische und Touristen, sehen dies noch anders. Sie standen an den Hängen und lachten über die zukunftsweisenden Fahrzeuge, die ohne Lärm und Gestank mit 70 Stundenkilometern die Mendelpaßstraße hinaufbretterten. Fachkundiger waren die Zuschauer im Zieleinlauf, die einem Giuliano Mazzoni (mit 17:52,55 Minuten Gesamtsieger auf Cartanfruit) und einem Dario Sassi (mit 20:56,99 auf Cassiopea Sieger der Solarklasse) frenetisch zujubelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen