: Leo Kirch macht keinen Käse
Medienkommission der SPD will ARD und ZDF stärken ■ Von Ejo Eckerle
Was unterscheidet Käsefabriken von Medienunternehmen? Während man als Käsefreund nicht notwendigerweise über die Besitzverhältnisse der Hersteller bescheid wissen muß, sollte man als Medienkonsument schon wissen, wem Zeitungen oder Rundfunksender gehören, so der SPD-Politiker Peter Glotz. Ihm und seinen Parteifreunden von der SPD- Medienkommission, die am Mittwoch in Bonn tagten, macht der zunehmende Konzentrationsprozeß in allen Medienbereichen Sorge.
Vor allem aber beobachten die Sozialdemokraten mit wachsendem Mißtrauen die Aktivitäten des Münchner Film-Tycoons Leo Kirch. Seine „Machtstellung“ bei fünf von sechs privaten Fernsehsendern sowie der wachsende Einfluß Kirchs im Springer Verlag rechtfertige die „ernstesten Bedenken“. Was Glotz und Genossen vor allem wurmt, ist die Tatsache, daß Kirch eine Gesetzeslücke ausnütze. Die Sozialdemokraten wünschen sich daher Verhältnisse wie in den USA, Frankreich oder England, wo die Möglichkeit, gleichzeitig Print- und elektronische Medien zu besitzen, eingeschränkt sei. Wohl wissend, daß derartige Regelungen in weiter Ferne liegen, verweist Glotz auf die bestehende Gesetzeslage: „Man könnte sowohl beim Kartellrecht, den Landesmediengesetzen als auch einem Gesetz über die Offenlegung von Besitzverhältnissen bei den Medien ansetzen.“
Gleichwohl glaubt Glotz, daß dem „Machtzuwachs“ eines Leo Kirch, der mit seiner Filmein- und -verkaufspolitik inzwischen nahezu den gesamten Unterhaltungsbereich dominiert, nur mit Regelungen auf Bundesebene beizukommen ist. Schließlich ist die Gefahr groß, daß einzelne Länder um eigener medienpolitischer Vorteile willen aus der Anti-Kirch-Phalanx ausscheren.
Ganz und gar nicht auf Veränderung setzt die SPD dagegen bei der Diskussion um eine mögliche Privatisierung des ZDF, die die Chefs von ARD und ZDF kürzlich selbst auf dem Medienforum NRW angefacht hatten. Der Mainzer Sender sei eine unabdingbare Voraussetzung für die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, heißt es in einer Entschließung der SPD. Würde diese Säule wegbrechen, wäre dies ein weiterer Schritt zu Programmen, bei denen die Einschaltquote allein das Maß aller Dinge sei.
Die Partei scheint jetzt in offene Frontstellung gegen RTLplus, Sat1 und Co. zu gehen zu wollen. „Schutzzäune“, wie etwa das Werbeverbot nach 20Uhr bei ARD und ZDF, seien nicht mehr nötig. ARD und ZDF hätten dagegen Werbung nötiger denn je. Zu 80Prozent, so die Sozi-Faustregel, sollten sich die öffentlich-rechtlichen Sender aus dem Gebührenaufkommen finanzieren können, die restlichen 20Prozent solle die Werbung beisteuern. „Diese Entwicklung ist jedoch stark rückläufig“, sagt Reinhard Klimmt, Vorsitzender der SPD-Medienkommission. „Das war nicht gewollt, als der Gesetzgeber die entsprechenden Vereinbarungen abgeschlossen hat.“ Speziell beim Sport will Klimmt für ARD und ZDF die Türen öffnen, um damit beim Poker um Übertragungsrechte, etwa für die Fußball-Bundesliga, mithalten zu können. Regelrecht eingeschossen hat sich die SPD durch ihre neuen Beschlüsse auf Kirch und seine Partner. „Der Poker um diese Rechte durch den Anbieter ISPR, an dem die Medienunternehmer Springer und Kirch maßgeblich beteiligt sind, fordert das öffentliche Interesse heraus.“ Gleichzeitig ermutigte Klimmt die ARD, um das Recht auf Kurzberichterstattung bei Fußballübertragungen zu fighten.
Auf der anderen Seite waren die Mahnungen aus dem Bonner Ollenhauerhaus nicht zu überhören. Speziell die ARD mit ihren mehr als 40 Radioprogrammen und ihren zahlreichen Dritten Fernsehprogrammen müsse diese „auf ihre Sinnfälligkeit überprüfen“, meint Reinhard Klimmt. „Man muß die Möglichkeiten von Synergieeffekten nutzen“, mahnt Medienpolitiker Klimmt an — was neben Sparen nichts anderes bedeutet als Konzentration.
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