■ AUS POLNISCHER SICHT: neloP kilbupeR
Rechtzeitig zur Premiere des neuen Autotelefon-D-Netzes wurde ein cellular phone system in Warschau in Betrieb genommen. Für läppische zweitausend Dollar kann sich jeder das grenzenlose Telefonieren leisten. Mit den prosaischen Telefonzellen hat man es aufgegeben, die stören nur, stehlen den kostbaren Platz, den man an fliegende Händler verpachten kann. Die stationären Apparate in jeder Wohnung sind auch nicht mehr das angestrebte Soll — eine veraltete Idee, fast antiquarischer Art, wer sich ein Autotelefon nicht leisten kann, braucht sowieso keins, weil er nicht unternehmerisch genug ist. Es wird eine Nebenbenutzung der Satellitenfernsehsysteme, die inzwischen fast in allen Städten per Kabel geliefert werden, als Not- und Polizeiruf erwogen: da alle schon verkabelt sind, wozu noch die Telefone? Wo noch keine Verkabelung durchgeführt worden ist, kann man die herkömmlichen Schüsseln als eine Art Buschtrommel benutzen. Eine Bedingung wäre allerdings die Abschaffung der ab und zu noch auftauchenden Balkonblumen und dergleichen Unkrauts sowie der letzten Straßenbäume. Aus Spargründen wird es allerdings erwogen, den Import einiger Automarken zu verbieten. Wozu eigentlich sollten nach Polen Autos gebracht werden, die weniger als 100.000 DM kosten: Sie stellen nicht nur eine Dissonanz im Straßenbild dar, sondern zwingen die schon ohnehin überlasteten Zöllner, irgendwelche Quittungen über lächerliche Summen unter 50.000 DM auszustellen, während sie sich in derselben Zeit viel lukrativeren Aufgaben widmen könnten. Ein Auto, in das man kein Videogerät einbauen kann, macht ohnehin kaum Sinn. Nachdem schon die meisten Wohnungen Farbfernseher, Videogeräte und Spielcomputer besitzen, erwägt man die Ankurbelung des Luxuswarenmarktes für Waren wie Waschbretter, Teppichklopfer und Nagelscheren.
Deutschlands östlicher Nachbar wird zu einem bitterarmen Land der reichen Bürger. Natürlich sind nicht alle im Nu Millionäre geworden, jedoch fehlt es an Neureichen keineswegs. Sie bemühen sich so viel zu scheinen, wie es nur geht, mit dem Sein hapert es noch an jeder Ecke. Für das soziale Netz, für gemeinnützige Aufgaben, für die Infrastruktur, Kultur, Bildung und Gesundheit gibt es kein Geld. Gleichzeitig bereichern sich die Frechsten am schnellsten, und diejenigen, die Steuern zahlen, werden ausgelacht.
Ich träume von einer neloP kilbupeR. Das wäre meine Heimat! Mein gelobtes Land, wo alles umgekehrt ist als in der Republik Polen. Piotr Olszowka
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