„Die Grünen können nicht regieren“

■ Streng vertraulich: Fraktionssprecher Mützelburg empfiehlt Austritt aus der Ampel-Koalition

Wenn die Grünen am 11. August in Klausur gehen, um über ihre Rolle in der Ampel zu diskutieren, wird ein Geheimpapier des Grünen Fraktionssprechers Dieter Mützelburg eine Rolle spielen, in dem er den Ausstieg aus der Koalition nahelegt.

In „sechs gekennzeichneten“ Exemplaren hat Mützelburg das Papier an die engsten Grünen- KollegInnen verteilt, der taz wollte der grüne Fraktionssprecher auf keinen Fall eine Kopie zukommen lassen. Hier der wesentliche Inhalt der fünf eng beschriebenen Seiten:

„Grüne Regierungsbeteiligung wie derzeit praktiziert ist wenig wirkungsvoll und sinnvoll.“ Mützelburg, der sich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen gegen die Ampel ausgesprochen hatte, dann aber zum Ampel-Befürworter mutierte, spricht jetzt davon, daß die Koalitionsentscheidung ein „Akt politischer Erpressung“ gewesen sei. Die Erpressung sei mit der Illusionen verbunden gewesen, daß bei grüner Regierungsbeteiligung neue Weichenstelungen möglich seien. Übrig geblieben sei „bestenfalls eine Klientelpolitik für einige kleine Gruppen.“

Von dem grünen Wahlprogramm wird nach Meinung Mützelburgs fast gar nichts durchgesetzt. „Die Grünen, der einzige Wahlsieger bleiben am Ende auf der Strecke.“ Dieses liege auch an mangelnder Realitätstauglichkeit der Konzepte. Mützelburg: „Wenn wir eine lebenswerte 'Stadt am Fluß– propagieren, ohne zu erläutern, wie so etwas ökologisch kostengünstig geht, dann endet sie bei Teerhofbrücke und ähnlichen Prestigeobjekten.“

Auch am Personal der Grünen läßt Mützelburg kein gutes Haar. Die Unfähigkeit, eine allseits akzeptierte Senatorin vorzuschlagen, sei ein Indiz für schlechte Personalpolitik. Mützelburg: „Personen, die persönlich integer und durchsetzungsfähig Politik in Bremen gestalten und auf Verwaltungsniveau auch vollziehen und öffentlich darstellen können, besitzen wir offensichtlich nicht (oder kaum). Bei dieser Kritik nimmt der Fraktionssprecher auch Umweltsenator Ralf Fücks nicht aus. Nicht anders kann der folgende Satz interpretiert werden: „Die politisch-fachliche Qualifikation für 'harte' Politikbereiche wie Wirtschaft, Finanzen, Bauwesen, Stadtplanung, Häfen und überregionaler Verkehr fehlt.“

Über die Möglichkeiten, die den Grünen bleiben, ist Mützelburg unschlüssig. „Augen zu und durch“ sei die schwierigste Option. Die Koalition zu beenden oder sich „hinauskomplimentieren zu lassen“ führe auf „unruhige See“, da die Grünen dann öffentlich ihre Regierungsunfähigkeit beweisen würden. „Zähne zeigen und härter fordern“ sei schwierig, weil „symbolhafte, durchsetzbare Konfliktfelder“ nicht auszumachen seien.

Als Versuch für einen Schritt nach vorne sieht Mützelburg „eine Neubewertung der Koalitionsverhandlungen“ und eine „Demokratisierung in der Fraktion“, die für Öffentlichkeit und Diskussion sorgen soll. Auch personelle Fragen müßten „neu und offensiv“ angegangen werden. „Weder Senatsumbildung noch Besetzung von Schlüsselpositionenin Exekutive und Gesellschaft dürfen mit dem 'odore di mafia' belegt werden.“

Einen „Befreiungsschlag“ sieht Mützelburg in einem „Aufruf zur Bildung einer neuen Landesregierung und eines neuen Magistrats in Bremerhaven.“ Sein origineller Namensvorschlag: „Komitee zur Rettung Bremens“. Mützelburgs Fazit: „Dies klingt illusionär und populistisch zugleich und kann zum Austritt aus der Regierung führen. Das müßte nicht zum Schaden der grünen Position und ihrer Zukunft führen. Die Devise 'Weiter so' ist die falsche Devise zum falschen Zeitpunkt.“ hbk