piwik no script img

Soundcheck: Link Protrudi and the Jaymen/The Nijinsky Style - Memories to come

SOUNDCHECK

Heute abend: Link Protrudi And The Jaymen. Die Verbindung von Trash-Rock und unbeschwertem Sexismus ist ein Phänomen der Jungenzimmer-Rebellion, das den Namen „Underground“ tatsächlich noch verdient. Psychedelische Grammatik und großbusige Allegorien der Pubertät kennzeichnen diesen selbstvergessenen Rock'n'Roll-Lifestyle. Die Fuzztones gehören in die Stammelf der Trash-Weltauswahl und ihr Sänger Link Protrudi kann auch stimmlos beweisen, daß seine wunderbare Welt aus Grind und Geilheit echt „sleazy“ ist. Mit seiner Band The Jaymen, mit der er die Instrumentalplatte Slow Grind eingespielt hat, und der Las Vegas Rock & Roll Strip Show wird er auf der winzigen Bühne der Prinzenbar versuchen, seine Sex'n'Roll-Heizung auf Anschlag zu bringen. Die Veranstaltung des Magic Mushroom Clubs wird verlängert durch DJ Mr. Natural und seine Scheiben der letzten dreißig Jahre. tlb

Prinzenbar, 22 Uhr

Gehört: The Nijinsky Style - Memories To Come. Der Clou der Musik der Kieler Band Nijinsky Style ist die Verjüngung des New Wave durch die Musik der 30er Jahre. Auf Schatzsuche bei Eisler, Weill und Hollaender entdeckten die beiden Protagonisten der Uralt- New-Wave-Kapelle No More, daß sich mit etwas gutem Geschmack auch aus einem abgestandenen Melancholikum wieder eine modische Errungenschaft machen läßt. So verstrickten Tina Sanudakura und Andy Schwarz auf ihrem ersten Album unter diesem Namen, Memories To Come, ihre romantische Verklärung des Zeitalters der Moderne mit den musikalischen Systemen der 80er-Jahre-Popmusik und dem Wunsch, musikalisch zu glän-

zen. Dabei entsteht viel schöne Musik und ausreichend fahler Beigeschmack.

Auch ist die Idee nicht ganz neu. Bands wie Bauhaus oder Virgin Prunes haben diese Ehe zwischen Liedgut der Vorkriegszeit und britischem Beat schon zehn Jahre früher vollzogen. Dennoch gelingt es dem Duo, etwas realtiv Eigenes zu produzieren, indem es sich zum einen wesentlich getreuer an den Mitteln der Vorbilder orientiert, zum anderen aber genug eigene Persönlichkeit besitzt, um nicht nur als Gruß auf fremde Ideen zu wirken.

Geprägt von akustischen Instrumenten, maßgeblich Akkordeon und Gitarre, und dem vollen Opfergesang von Andy Schwarz entsteht ein Album ohne Ausfälle, dessen schwarzgalliges Pathos natürlich auf ausgesuchten Geschmacksnerven balanciert.

Nijinsky Style sind eigentlich „deutsch“ im positiven Sinne. Sie bewerten das heimatliche musikali-

1sche Erbe neu, sie lieben das Detail und das ausgefuchste Arrangement und stehen zu der maßlos übertriebenen Geste, die ohne Schwung stets peinlich wirkt. Gerade deswegen erscheint es etwas verwunderlich, daß die Band nur englisch singt. Hat hier der Mut zur Peinlichkeit versagt? Fehlte hier der entschiedene Geist, der sich auch deutsch artikulieren kann? Oder gibt man sich an der Förde etwa der absurden Hoffnung hin, mit dieser Produktion in einem Europa ohne Grenzen erfolgreich zu sein?

Wie dem auch immer sei: Memories To Come wird sein Publikum finden und nicht zuletzt vielleicht genau wegen dieser Unterlassungssünde. Denn wo das „Verstehen- wollen“ nicht im Vordergrund steht, bleibt für die Brüderschaft im Dunklen genügend Raum. Eine Fütterung für den schimmernden Seelenschmerz. Till Briegleb

Nijinsky Style, Memories To Come, Funambules Records

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen