: Phallusprobleme auf dem Kantdreieck
■ Für das Büro- und Geschäftshaus nahe dem Bahnhof Zoo wurde gestern der Grundstein gelegt
Charlottenburg. Gepflegte Bosheiten tauschten Bauherr Gernot Moegelin von der Investorengruppe KapHag und Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) gestern bei der Grundsteinlegung des Büro- und Geschäftshauses der KapHag auf dem Kantdreieck nahe dem Bahnhof Zoo aus. Während die Gäste in der ausbetonierten Baugrube schwitzten, beklagte Moegelin die »zehnjährige, für Berlin symptomatische Leidensgeschichte« bei der Planung des Hauses. Den 36 Meter hohen, 18 mal 18 Meter breiten und 80 Millionen Mark teuren Turm mit seinen 6.000 Quadratmetern Bürofläche hätte man viel eher fertigstellen können. Ende 1982 hätte man einen Bebauungsvorschlag für das Grundstück gemacht, ein Wettbewerb sei 1985 abgebrochen worden. 1988 habe es einen Investorenwettbewerb gegeben, und 1990 sei der KapHag das Grundstück zugesagt worden. Im März 1991 habe man eine Teilbaugenehmigung bekommen, die das Bezirksamt Charlottenburg kurz darauf ausgesetzt habe. Erst das Oberverwaltungsgericht habe der KapHag im Dezember 1991 recht gegeben.
Schuld an der langen Planungsdauer sei, so Moegelin, die aufgeblähte, in ihren Zuständigkeiten zersplitterte Berliner Verwaltung. Im Hauptstadtvertrag werde der richtige Weg dagegen gewiesen. Nun wird das Bürohaus — bei dem Mieten bis zu 65 Mark den Quadratmeter zu erwarten sind — Ende 1993 fertig. Es ist Moegelin aber nicht hoch genug: 54 Meter seien ihm lieber gewesen, sagte er. Eine solche Verdichtung, sagte der Architekt des Hauses, Joseph Paul Kleihues, sei an dieser Stelle auch sinnvoll.
»Es gibt Leute, die halten ein hohes Haus gleich für schön, aber die haben Phallusprobleme«, meinte Bausenator Nagel dazu. In seiner Rede erinnerte der Senator daran, daß die Charlottenburger City eine in Europa einmalige Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur darstelle, deren zerbrechliche Balance gefährdet wäre, würde man allein aufgrund wirtschaftlichen Drucks jedem Antrag auf Bau eines Gewerbegebäudes unbesehen stattgeben. Eine Stadt wie Berlin mit vier Millionen Einwohnern könne nicht zentral regiert werden, aber die Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken müsse »optimiert» werden.
Das Kantdreieck war in den letzten Jahren nicht nur wegen der langen Planungsdauer in die Schlagzeilen geraten, deren Ursache übrigens nicht zuletzt in Auseinandersetzungen mit einer benachbarten Grundstückseignerin zu suchen ist. Beim Verkauf des Grundstücks vor einem Jahr hatte es außerdem Auseinandersetzungen um den Preis gegeben. Die KapHag bezahlte »nur« 5.847 Mark pro Quadratmeter für das City- Grundstück, ein — allerdings in letzter Sekunde aufgetauchter — Konkurrent hatte 7.500 Mark für den Quadratmeter geboten. esch
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