Das Ende der Gemütlichkeit

■ Zum jüngsten Bericht des Washingtoner "World-Watch-Institutes"

Das Ende der Gemütlichkeit Zum jüngsten Bericht des Washingtoner „World-Watch-Institutes“

Nicht die Zahl der Filter wird künftig das Symbol für die ökologische Erneuerung von Industriegesellschaften sein, sondern die Zahl der Fahrräder. Das ist die Diagnose, die das Washingtoner Worldwatch-Institut am Wochenende noch einmal in bestechender Form vorgeführt hat. In immer neuen Zahlenreihen führen uns die Wissenschaftler vor: Der westliche Lebensstil steht zur Disposition. So wie wir leben, können weder fünf noch zehn Milliarden Menschen auf dem Globus überleben.

In den vergangenen zwanzig Jahren haben die westlichen Industriegesellschaften den technischen Umweltschutz zu ihrem ökologischen Aushängeschild entwickelt. Die ökologischen Anforderungen perfekt einzupassen in den Wachstumsmarkt, war das Ziel, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen das Motto. Noch mehr High-Tech in noch mehr Filtern noch besser abgeschirmt: das sollte die Rettung für den Planeten bringen und gleichzeitig den Umsatz für Ingenieure und Maschinenbaukonzerne in ungeahnte Höhen schrauben. Diejenigen, die den Dreck machen, verdienen seitdem als Reparaturbetrieb auch daran, ihn zu filtern. Doch die bösen Bonzen in den Konzernetagen waren nie alleine. Hand aufs Herz, wir alle haben uns damit getröstet, daß die Techniker es schon richten werden, daß sie mit geradezu biblischem Format neue Filter und neue Anlagen erfinden werden, die uns den Sonntagsbraten und den Fischen im Meer sowie den Vögeln des Himmels das Überleben sichern. Der Katalysator machte das geliebte Auto gleichsam ökologisch, der blaue Umweltengel ließ uns den Gelegenheitskauf beruhigt nach Hause tragen. Selbst die Berufsökologen trugen mit ihrer Litanei von den technischen Möglichkeiten des Umbaus der Industriegesellschaft zur Einschläferung der Gemüter bei. Der Ton der Botschaft aus Washington ist ein anderer. Eine kulturelle Revolution wird erforderlich sein und eine ökonomische. Die Frage nach dem dauerhaften und stetigen Wachstum, das die großen Industriestaaten in München noch einmal aufs Tapet gehoben haben, wird der Suche nach dem Genug weichen müssen. In Grenzen optimieren statt grenzenlos wachsen muß zur Prämisse allen ökonomischen Tuns werden. Oder mit anderen Worten: Nicht die Produktion ist das Problem, es sind die Produkte.

In einem seiner philosophischen Momente hat Klaus Töpfer kürzlich einmal gesagt: Die amerikanische Regierung fürchte den Umweltschutz ähnlich wie in den fünfziger Jahren den Kommunismus. George Bush hat mit seiner Furcht wahrscheinlich recht. Der Kampf gegen das ökologische Reich des Bösen ist mit der bestehenden Bewaffnung nicht zu gewinnen. Revolution oder Untergang: Nur weniger wird mehr sein. Hermann-Josef Tenhagen