: In der politischen Sackgasse
■ Die UNO bewegt sich ziemlich hilflos zwischen den somalischen Bürgerkriegsfronten
Kein böser Verleumder hätte den Ruf der Vereinten Nationen in Somalia besser schädigen können als dies der Organisation selbst gelungen ist: Vor einem Monat landete in Mogadischu ein Flugzeug des Welternährungsprogramms WFP, das anstelle von Weizen frischgedruckte Banknoten und Uniformen an Bord hatte. Bestimmt war die illegale Fracht für den Interimspräsidenten Ali Mahdi, einen der beiden Hauptkontrahenten der Kämpfe in der Hauptstadt, die zwischen November 1991 und März 1992 Zehntausende von Todesopfern gefordert hatten.
Spätestens seit diesem Vorfall läßt sich nicht leugnen, daß die UNO im somalischen Bürgerkrieg nicht nur neutraler Makler ist, sondern zugleich von allen Seiten als Spielball ihrer Interessen benutzt wird.
Böse Absicht führender Unterhändler muß dabei gar nicht im Spiel sein. Obwohl natürlich Ali Mahdis Gegner General Farah Aidid die UNO sofort beschuldigte, ein falsches Spiel zu treiben, gesteht auch dessen enger Berater Osman Hassan Ali im Gespräch zu, daß er nicht an ein hochrangig besetztes Komplott glaubt. Der illegale Flug war wohl schlicht ein kriminelles Bubenstück der geheuerten Crew. Für einzelne betrügerische UNO-Mitarbeiter, deren Namen in Mogadischu gehandelt werden, mag dabei auch etwas abgefallen sein.
Allein die Tatsache aber, daß derartige Aktionen überhaupt möglich sind, kompromittiert die Vereinten Nationen — und macht sie erpreßbar. General Aidid hat seinen anfänglichen, mit dem illegalen Flug begründeten Widerstand gegen die Präsenz von 50 unbewaffneten UNO-Beobachtern zur Überwachung des Waffenstillstandes aufgegeben. Für dieses Zugeständnis und seine Bereitschaft, die peinliche Angelegenheit nicht allzu hoch zu hängen, dürfte er irgendwann eine Rechnung präsentieren. Die UNO, die für jeden Erfolg auf die Kompromißbereitschaft aller Beteiligten angewiesen ist, wird sich erkenntlich zeigen müssen.
Die Lage ist um so prekärer, als ohne die UNO in Mogadischu fast gar nichts läuft — mit ihr aber auch nicht viel. Obwohl der vor vier Monaten ausgehandelte Waffenstillstand weitgehend eingehalten wird, zeichnet sich keine Annäherung ab. Ali Mahdi wie auch Farah Aidid behaupten, dem Gegner weit überlegen zu sein — wobei General Aidid eher recht haben dürfte. Ali Mahdi erklärt darüber hinaus, er kämpfe für die Demokratie und gegen einen potentiellen Militärdiktator. Damit lassen sich im Westen Freunde gewinnen, mit der Realität des somalischen Bürgerkrieges hat dieser Satz aber wohl kaum etwas zu tun. Politik wird hier nach anderen Regeln gespielt als in westlichen Industrieländern.
Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß ausgerechnet Mohammed Ibrahim Ahmed, der unter dem gestürzten Präsidenten Siad Barre zehn Jahre lang Parlamentspräsident war, zum Vorsitzenden eines im Dezember gegründeten Komitees von 250 Ältesten gewählt wurde, das zwischen den kriegführenden Parteien vermitteln wollte. Der 70jährige meint, der Abschluß eines Waffenstillstandes habe unmittelbar bevorgestanden, als UNO-Unterhändler James Jonah mit seinen Verhandlungen begonnen habe. Ob dies stimmt, sei dahingestellt. In jedem Falle spricht es für die Ignoranz des UNO- Gesandten, daß er bis zum Schluß seiner Mission Vertreter neutraler Gruppierungen nicht in seine Gespräche einbezogen hat.
Mangelnde Kenntnis der Verhältnisse vor Ort werfen viele Somalis gerade hochrangigen Repräsentanten der UNO vor. Die Führer der Bürgerkriegsfraktionen spielen dagegen gerade auf diesem Klavier. Ali Mahdi fordert den Einsatz von UNO- Friedenstruppen und eine Konferenz der Nationalen Versöhnung, die die UNO außerhalb Somalias einberufen soll. Er verspricht sich davon zweifellos eine Stabilisierung seiner geschwächten Position. Um genau das zu verhindern, lehnt Aidid UNO- Friedenstruppen ab und verlangt eine nationale Konferenz innerhalb Somalias, zu der „die Somalis“ selbst einladen sollen.
Mohammed Ibrahim Ahmed widmet sich unterdessen seinen Privatangelegenheiten und meint spöttisch, jeder warte nun auf die von der UNO versprochene Friedenskonferenz außerhalb Somalias. Daß er an deren Erfolg nicht glaubt, leugnet er gar nicht: „Hier kann nur von Somalis, nicht von Fremden irgend etwas bewegt werden.“ Seinen Rat will er der UNO nicht anbieten: „Zu Beginn haben sie uns ignoriert. Warum sollten wir jetzt zu ihnen gehen?“
Die Entwicklung hin zu einem dauerhaften Frieden in Mogadischu steckt in der Sackgasse — von einer Lösung für ganz Somalia ganz zu schweigen. Einziger Hoffnungsschimmer: Manches spricht dafür, daß hinter den Kulissen zwischen verschiedenen Gruppierungen Gespräche laufen, von denen man den Fremden nichts erzählt. Dafür gäbe es in Somalia eine lange Tradition. Bettina Gaus
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