: Treuhand auf der Schulden-Woge
■ Die Treuhand-Schulden steigen schneller als erwartet/ Finanzministerium fühlt sich noch nicht angesprochen/ Nach 1994 müssen die BürgerInnen für Schuldenberg von 250 Milliarden aufkommen
Berlin (taz) — Der Schuldenberg der Treuhandanstalt steigt und steigt und steigt. Die Anstalt peilt jetzt offiziell die Marke von 135 Milliarden Mark Miese zum Jahresende an. Die Zahl von 148 Milliarden Mark, die in einem Bericht der Berliner Boulevard- Zeitung B.Z. genannt wurde, sei aber überholt. „Sie stammt aus einem internen Papier, das im November 1991 erstellt worden ist“, so Ulrike Grünrock von der Treuhand gestern. Die Zahl sei höher als die jetzt genannte, „weil man damals die ökologischen Altlasten überbewertet hat“.
Die rasend steigenden Treuhand- Schulden setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Da sind zum einen die Altschulden der Betriebe, die die Treuhand selbst auf 80 Milliarden Mark schätzt. Dazu kommen Ausgaben für die Sanierung von Betrieben, für Sozialpläne und die Beseitigung von Altlasten. Der geplante Schuldenstand von 135 Milliarden zum Jahresende besteht nach Angaben der Treuhand aus den 80 Milliarden Mark Altschulden, 24 Milliarden Mark, die bereits 1991 ausgegeben worden seien und den 30 Milliarden Neuverschuldung, die der Treuhand in diesem Jahr erlaubt sind. Im nächsten Jahr könnte die Neuverschuldung noch höher liegen, heißt es Treuhand-intern.
Insgesamt, so gibt Ulrike Grünrock von der Treuhand zu, steigen die Schulden schneller als ursprünglich mal geplant. „Die Erlöse aus den Verkäufen sind geringer als erwartet. Außerdem werden uns viele Zahlungen später erreichen, als wir dachten.“ Bislang habe die Treuhand bei ihren Verkäufen bis Ende Juni 30,7 Milliarden Mark erlöst, die aber komplett wieder in die laufenden Geschäfte hineingebuttert wurden. Auch auf der Ausgabenseite räumte Grünrock gegenüber der taz höhere Summen für die Sanierung und die Übernahme von Altschulden ein. Die Kreditermächtigung des Bundesfinanzministers, maximal 30 Milliarden Mark Schulden im Jahr am Kapitalmarkt aufzunehmen, werde zum Jahresende wahrscheinlich überschritten werden müssen. Ähnliches hatte Treuhandchefin Birgit Breuel bereits angedeutet.
Im Bundesfinanzministerium werden die dreistelligen Milliardensummen vorläufig nicht als Finanzierungsproblem gesehen. „Die sind ja bereits aufgenommen und belasten den Kapitalmarkt nicht weiter“, so der Sprecher des Finanzministeriums, Kastorp. Zusätzlich zu den Altschulden in den Büchern habe die Bundesregierung die Treuhand ermächtigt, vier mal je 30 Milliarden Mark auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen — insgesamt 120 Milliarden Mark. Die Summe sei im Jahr 1991 nicht mal ganz abgeflossen, „und bis jetzt gibt es keinen Brief der Treuhand, daß sie nun mehr brauchen“, so Kastorp.
Unabhängig davon, wie die Treuhand und Theo Waigel die Milliarden hin und her jonglieren — insgesamt werden 250 Milliarden Mark Verbindlichkeiten bis Ende 1994 bei der Treuhand auflaufen. Diese Schulden müssen dann aus irgendeinem Staatstopf bedient und beglichen werden. Natürlich könnte die Regierung die Tilgung der Riesensumme auf die lange Bank schieben. Aber diese bevorzugte Waigelsche Politikvariante bringt der Treuhand schon jetzt Probleme: Weil nämlich der Schuldenberg wächst, wachsen auch die Zinsforderungen, die die Treuhand begleichen muß. Geld, das für Zinsen ausgegeben wird, steht für eine aktive Sanierung aber nicht mehr zur Verfügung.
In Bonn redet man davon, den Schuldenberg neben dem offiziellen Haushalt durch langfristige Anleihen zu strecken und immer wieder umzuwälzen. Letztlich muß ihn aber doch die Steuerzahlerin und der Steuerzahler abtragen — und genau da liegt das politische Problem. Bund und Länder sind sich nicht einig, wer für das Finanzchaos der Vereinigung geradestehen muß. Das Bundesfinanzministerium ist der Meinung, „Bund und Länder teilen sich die Schulden“. Sprecher Kastorp argumentiert im Sinne seines Dienstherren, der Einigungsvertrag habe vorgesehen, daß die Überschüsse aus dem Verkauf des DDR-Vermögens an Bund und Länder verteilt werden. Gleiches müsse doch auch für „die negativen Überschüsse“ gelten. Die Unterhändler haben sich verschätzt, zahlen müssen alle. ten
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