SOMNAMBOULEVARD — HYDRAS SUB-KÖPPE VON MICKY REMANN

Es spricht in seinem, meinem und Deinem Traum Somnambulprofessor Dr.Deepdream: „Früher, als es zwischen Traum und Wachen noch so ordentlich zuging wie zwischen Nato und Warschauer Pakt, hatte man ein Problem aus zwei Teilen: Körper und Geist. Ersterer war ein Ding, zweiterer ein Gespenst, das sich auf nicht ganz koschere Weise in ersteren eingemogelt hatte, um die Problematik von beiden zu verschärfen. Es stellte sich aber heraus, daß es neben diesem seit Urzeiten gewälzten Problempaar noch ein drittes, ein Meta-Problem, gab: niemand konnte sich auf eine exakte Grenzziehung zwischen Problem eins und zwei einigen.

Dem versuchte man dadurch zu entkommen, daß man eine duale Herrschaftsordnung einführte. Das, was man für den wachen Körper hielt, sollte die Krone der Realität erhalten und sich all die unrealen Geist- Gespenster, wenn man sie schon nicht loswerden konnte, wenigstens untertan machen. Das haute zwar nie hin, stärkte aber die Überzeugung, ein echt kniffliges Problem zu haben.

Die Folge war, daß Körper und Geist sich oft ganz anders verhielten, ja verhalten mußten, als es den Problemforschern lieb war — obwohl ihnen das natürlich als Ausdruck selbigen Problems galt. Bei diesem Stand der Dinge dauerte es eine Weile, ehe einige schlaue Geister dahinterkamen, daß es gar keinen Körper und keinen Geist gibt, wie Tisch und Stuhl, im Sinne von zwei nahe beieinander stehenden, jedoch voneinander getrennten Gesellen, sondern daß — womit das Problem eigentlich schon behoben war, bloß merkte das wieder mal kein Schwein — es nur eine einige Systemeinheit gab, den körpeistigen Bodymind, eine Münze mit zwei Seiten, wo mal Kopf, mal Zahl, mal der Körper, mal der Geist oben liegt, ohne daß sich dabei der Wert der Münze ändert. Traditionell liegt nun im Wachzustand der Körper oben und im Schlaf der Geist. Prima, sagte man, jetzt haben wir kein Problem mehr, sondern eine Lösung! Doch es dauerte nicht lange, bis es jemandem dämmerte, daß eine einzige Lösung viel zu wenig sei für ein so enormes Problem wie das von Körper und Geist. Der Einwand wurde für berechtigt gehalten und so gestatteten die Forscher, daß sich die körpeistige Einheit in eine nuancen- und facettenreiche Vielfalt auffächerte, vom Traumtanz des Kraftprotzen zum Dösen der Erotomanin, von der Hellwach-Ekstase beim Nirvana-Fließen zum logisch-halluzinogenen Raisonnement, wobei jeder der Eigenzustände nur Autorität über sich selbst, nicht aber über andere bekam.

„Früher“, schließt Prof. Deepdream seine Vorlesung im Traum, „versuchte man die tausendköpfige Hydra des Bodymind 999fach zu guillotinieren, bis nur noch das dröge Tagesschaubewußtsein als Alleinherrscher über die eigene mentale Nulldiät übrigblieb. Heute jedoch feiern wir das üppige Parlament von Hydras Sub-köppen in unserem Kopf, halten jeden einzelnen für so real wie alle anderen, und fragen höchstens: warum nur 1.000? Wir wollen mehr!“