: Nach dem Sturz die Odyssee
■ Erich Honecker floh vor der Justiz, deren Vorwürfe er nie verstand und akzeptierte
Berlin (dpa) — Seit seinem Sturz am 18. Oktober 1989 war Honecker auf der Flucht: Vom christlichen Pfarrhaus in Lobetal bei Berlin über das sowjetische Militärhospital in Beelitz bei Potsdam bis zum Exil in Moskau. Der 79jährige hat die Nachstellungen der Justiz nie verstanden: Die Bundesrepublik habe „überhaupt kein Recht, das ehemalige Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik wegen Handlungen, die er im Vollzug seines Amtes durchführte, zu verfolgen“. Erst im Juni warf er der Bundesregierung und der Berliner Justiz vor, gegen ihn eine „beispiellose Hexenjagd“ zu veranstalten.
Honecker war schon von der DDR-Generalstaatsanwaltschaft bald nach der Wende des „Machtmißbrauchs und der Korruption“ beschuldigt worden. Einzig sein Gesundheitszustand bewahrte ihn davor, im Januar 1990 langfristig inhaftiert zu werden. Mit dem Umzug der Honeckers im April 1991 von Lobetal in die sowjetische Militärklinik in Beelitz war der ehemalige Parteichef dem deutschen Justizzugriff dann allerdings entzogen.
Der nur zwei Monate nach der deutschen Einheit am 30. November 1990 wegen der Todesschüsse an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze erlassene Haftbefehl konnte nicht vollstreckt werden. Honeckers Flucht am 13. März 1991 kam dann aber selbst für seine Anwälte überraschend. Mit dem Ende der Sowjetunion änderte sich die Situation für Honecker grundlegend. Nachdem die neue russische Regierung signalisiert hatte, daß sie Honecker nicht mehr schützen wollte, blieb ihm nur noch die Flucht in die chilenische Botschaft am 11. Dezember 1991. Mit diplomatischem Druck verhinderte Bonn, daß Honecker nach Chile oder Nordkorea ausfliegen durfte.
32 Monate nach seiner Entmachtung im SED- Politbüro hatte die Berliner Justiz ihn im Mai wegen Totschlags an 49 Flüchtlingen angeklagt. Der Prozeß gegen Honecker, der nun mit Ex-Stasi-Chef Erich Mielke und Verteidigungsminister Heinz Keßler vermutlich in einer Haftanstalt sitzen soll, soll noch in diesem Jahr beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen