: Überraschender, atonaler Biß
■ Die Haut tourt zum zehnten Bandjubiläum mit einer Underground-All-Star-Band
tourt zum zehnten Bandjubiläum mit einer Underground-All-Star-Band
Angang der Achziger existierte mit dem Versuchsfeld eine zeitweise Lokalität für neue Erlebnisse, in der Bands wie Red Crayola, Wirtschaftswunder und eben auch Die Haut auftraten. Das Konzert mit der Berliner Instrumentalband war selbst für damalige Maßstäbe eine extreme Offenbahrung oder Provokation. Kreischfrequenzen, Lautstärke und eine Ausstrahlung allergrimmigster Verschlossenheit führten zu verstörten Reaktionen, die sich aber längerfristig in dauerhaftes Verstehen ihrer Absicht wandelten.
Die Haut reiste in den folgenden Jahren durch der Welt anerkannte Underground-Lokalitäten, traf dort die Persönlichkeiten der radikal- ästhetischen Intelligenz und verfügt nun über einen eloquenten Freundesstamm, der ihr jetzt tatkräftig zum Geburtstag gratuliert. Auf dem neuen Album Head On! (WSFA, ab Mitte August in den Läden), einer Veröffentlichung zum zehnten Jahrestag der Bandgründung, treten neun Gastvokalisten auf, unter anderem: Ex-Suicide-Sänger Alan Vega, Ex-Blondie-Frontfrau Debbie Harry, Jeffrey Lee Pierce, Blixa Bargeld, Kim Gordon von Sonic Youth und Lydia Lunch.
Hier präsentiert sich das Quartett plötzlich als solide Rockband, die den atonalen Biß nur noch als Überraschungsmoment verwendet. Auch wenn dadurch eher eine konservative Konstruktion aus Songwriting und zersplitterten Erinnerungsmomenten entsteht, ist Head On! die überzeugende Hommage einer Szene an sich selbst. Wobei die eigentlichen Protagonisten des Spiels eher im Hintergrund bleiben, gemäß der Tradition, „it's not the song, it's the singer“.
Die Band, die nie wirklich Erfolg hatte, aber auch nie den Weg der musikalischen Sozialdemokratie gesucht hat, um Claquere und Tumore zu finden, kehrt nun mit diesem Gongschlag in die Manege zurück. Mit der Ausgrabung verschütteter Rock‘n'Roll-Ressourcen gibt die Band scheinbar zu verstehen, daß sie den Wandel der Zeit akzeptiert. Denn das Stachelige im Weichen verdient sich inzwischen mehr Aufmerksamkeit als die harsche Konfrontation.
Bei ihrer kurzen Deutschland- Tour reisen die Freunde in Schwarz im Wesentlichen mit: Neben Anita Lane, Lydia Lunch, Blixa Bargeld, Kid Congo Powers und Jeffrey Lee Pierce wird auch Nick Cave ein paar Anekdoten singen, der ja schon auf älteren Platten die Stimme erhoben hatte. Schließlich sitzt Thomas Wydler, der Schlagzeuger der Haut, auch an der Batterie der Bad Seeds, Caves Band.
Durch die günstige Konstellation jahrelanger musikalischer Zusammenarbeit verspricht das Konzert dem üblichen All-Star-Schwachsinn zu entrinnen. Till Briegleb
23.8., Große Freiheit, 21 Uhr
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