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■ FehlstartApres-Sprint

1.Akt. Vorhang auf. Acht Frauen betreten die Bühne, kauern sich auf den Boden, ein Schuß fällt. 10,82 Sekunden später wird die bislang nur als Hürdensprinterin bekannte Gail Devers (USA) als neue 100-Meter-Königin gefeiert. Merlene Ottey (Jamaika) und Gwen Torrence (USA) entschwinden bitter enttäuscht.

2.Akt. Die Olympiasiegerin schreitet zur Pressekonferenz, begleitet von der Zweiten, Juliet Cuthbert, und der Dritten, Irina Priwalowa. Devers wirft sich in Pose. „Ich wußte vom Start weg, daß ich an der Spitze sein werde.“ Sagt's, packt ihre Tasche und geht.Vorhang und Pause.

Après-Sprint

3.Akt. Gail Devers erscheint wieder. „Ich hab noch 15 Minuten. Sicher wollen Sie alles über meine Krankheit erfahren“, bestimmt sie ungefragt. Der Monolog beginnt. Cuthbert vedreht genervt die Augen, Priwalowa grinst spöttisch. Die beiden kennen Devers gnadenlose Lieblingsnummer so gut, daß sie bereits soufflieren können. „Ich hatte Graves Disease... Keiner glaubte... Erst 1988 erkannt... konnte kaum noch sehen... hörte schlecht... Atemprobleme... Krämpfe. Chemotherapie, Bestrahlungen.“ Furchtbare Nebenwirkungen. Haare fielen aus, Haut blutete. „Ich hatte drei starke Perioden pro Monat und konnte mir nur helfen mit den extra starken Tampons“, diktiert sie charmant in die Notizblöcke. Im März 1991 entzündeten sich die Fußsohlen. „Zog Blutspur hinter mir her... krabbelte auf allen vieren... mußte getragen werden.“ Ein Arzt sprach von Fußamputation. Dann das Happy-End: „Ich habe es geschafft. Nehmen Sie mich als Beispiel, daß alles möglich ist, wenn man daran glaubt. Die Krankheit hat mich tief beeindruckt und gebrandmarkt, aber sie hat mich auch stark gemacht.“

4.Akt. Ein Journalist benutzt das Wort Doping. Plötzlich springt ein Zornnickel vor die Menge. Es ist Bob Kersee, Devers' Trainer, Jackie Joyner-Kersees Gemahl und der Ex-Coach von Florence Griffith-Joyner. „Ich bin es leid“, brüllt er aggressiv. „Meine Läuferinnen sind so sauber wie meine Mutter. Hören Sie endlich auf!“ Gail lächelt. „Noch Fragen? Nein? Dann danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“ Der Vorhang fällt. Die Show ist beendet. Keiner klatscht. -miß-

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