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Gemüse, Müll und Malerei

■ Der Amerikaner Robert Tooke zeigt in der Galerie Gehrke High Tech Kisten

zeigt in

der Galerie Gehrke High Tech Kisten

Hölzerne Gesichter verdrehen die Augen. Aus breiten Mündern schnarrt Swamp-Musik. Die Objekte, zusammengesetzt aus Gemüsekisten vom Händler um die Ecke und japanischer Elektronik, können den Einfluß der dritten Welt nicht leugnen. Der Künstler schätzt die schwarze Volkskunst seiner feucht- heißen Heimat sehr, doch Robert Tooke ist ein akademisch ausgebildeter Weißer aus Raceland, Louisiana, USA. Die Wandobjekte, die er unter dem durchaus doppelbödigen Namen High Tech Kisten im Sommerpausenmonat Juli in der Galerie Thomas Gehrke zusammengesetzt hat, versteht er, überraschend konservativ, als Malerei.

Diese älteste menschliche Ausdruckstechnik hält er für grundlegend, hinzugenommene Ausdrucksmittel betrachtet er nur als zeitspezifische Ergänzung. Und zeitprägend ist gewiß Elektronik genauso wie Abfall-Verwertung. So nutzte er in der Galerie sein Atelier auf Zeit, um in neue Dimensionen vorzustoßen. In seiner Altonaer Wohnung hatte der Künstler aus den Cayuns bis dato nur kleinformatige Bilder realisieren können.

Seine nun ausgestellten, mit Elektronik bestückten Objekte sind auch als Antidesign verstehbar: Ein Mikrophon ist wie zu Urzeiten der Tonaufzeichnung ein geräuschefressender Trichtermund, und der Gitarrenverstärker muß nicht mattschwarz und chromblitzend sein, um aus einer Gemüsebox heimische Töne zu spucken. Objekte wie das Hello-Painting laden mit ihren endlos wiederholten Begrüßungsformeln aus einem Zwölf-Mark-Walkman ein, auch das Bezugsfeld der hier zitierten „Outsider-Kunst“ zur Kenntnis zu nehmen.

Überwiegend sind die Vorstellungen von der Kunst der USA immer noch von Pop Art und hauptsächlich von den europäisch geprägten Ausdrucksweisen der Mittelklasse an Ost-und Westküste bestimmt. Dazu fällt auch schon mal ein Blick auf einzelne Künstler aus den Gettos der großen Städte, wie beispielsweise auf David Hammons

1bei der aktuellen dokumenta. Doch die aktuelle Kunst der Indianer, Schwarzen und Hispanics im Süden wird kaum in größerem Umfang wahrgenommen. Dabei ist auch innerhalb der USA eine von der dritten Welt geprägte neue Mischkultur entstanden. Diese Kunst findet nicht auf Keilrahmen und Leinwand statt. Ihr Material ist einfach, oft Fundstücke und Abfälle, die zu neuen Bedeutungen rezykliert werden. So wie der Unterschied zwi-

1schen Müll und Kunst heben sich auch andere starre Bestimmungen auf. Diese neue Folk Art ist individuell, aber strukturell offen und prinzipiell für jeden zu realisieren.

Die spätestens seit Dada immer wieder gehörte Vorurteilslitanei, jenseits altmeisterlichen Formenkanons sei alles Kinderei, weicht der Einsicht, daß niemand bestimmen darf, im globalen Dorf dürften nur griechische Marmorgötter und niederländische Landschaften geachtet

1werden. Magie steckt in jedem Ding, wenn der Hersteller und der Benutzer es nur inbrünstig genug wollen. Nicht die Abgrenzung, die Vermischung ist die menschenfreundliche Botschaft dieser Kunst. Übertragen in den europäisch-akademischen Kontext bleibt davon immerhin die Botschaft: Du darfst. Hajo Schiff

Galerie Thomas Gehrke, Martin-Luther-Str.21, HH 11; Mi-Fr 12-18, Sa 12-14; bis Ende August

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