: „Eingeklemmt, geschoben, abgedrängt“
■ Leichtathletik: Deutschland, Deutschland ohne alles! Im Dreisprung wurde Conleys 18,17-m-Satz vom Winde verweht, der 10.000-Meter-Lauf endet mit einem Skandal — das Gehen auch
Barcelona (dpa) — Das deutsche Fiasko setzt sich fort, der Mißerfolg der Mannschaft des deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) hat wie ein Virus auch die Aussichtsreichsten befallen. Nur Florian Schwarthoff (Heppenheim) als Fünfter über 110Meter Hürden durchbrach am Montag die Serie der Enttäuschungen in Barcelona.
Die 10.000 Meter wurden zu einem einzigartigen Skandal in der Leichtathletik-Geschichte (siehe Kasten links). Als erster war der Marokkaner Khalid Skah ins Ziel gekommen. Er fühlte sich bereits als Olympia-Sieger, jedoch war sein Erfolg nur durch das unfaire Verhalten seines Landsmannes Hammou Boutayeb zustandegekommen. Der hatte Chelimo über mehrere Runden behindert. „Ich war eingeklemmt, ich konnte nicht vorbei. Ich bin zweimal geschoben worden, und Skah hat mich abgedrängt, weil er dem anderen Marokkaner helfen wollte“, schimpfte der 20jährige Athlet aus Kenia. Die Jury reagierte nach einer halben Stunde mit einer drastischen Strafe, die auch den Wettbewerbsschnellsten betraf. Skah wurde der Sieg aberkannt, Chelimo zum Olympiasieger ernannt. Am Dienstag jedoch revidierte die Berufungskommission die Entscheidung.
Die grandioseste Leistung wurde vom Winde verweht: Der 29jährige Conley übersprang als zweiter Dreispringer die 18-Meter-Marke, doch seine 18,17 Meter können als Weltrekord nicht anerkannt werden, weil der Rückenwind mit 2,1m/sek um die Winzigkeit von 0,1m/sek zu stark blies. So bleibt sein Landsmann Willie Banks, dem mit 18,20 Meter der bisher einzige, aber auch windunterstützte 18-Meter-Satz gelungen war, mit 17,97 Meter Weltrekordler.
Mit Vize-Weltmeisterin Ilke Wyludda als Neunte und Weltmeister Lars Riedel (Mainz) in der Qualifikation scheiterten im Diskuswerfen zwei deutsche Gold-Hoffnungen. „Da sind zwei Medaillen weggegangen, die wir eingeplant hatten“, klagte DLV-Sportwart Manfred Steinbach und kritisierte vor dem Ruhetag am Dienstag: „Das Gesamtbild ist überhaupt nicht befriedigend.“ Die 23jährige Ilke Wyludda gestand nach den an ihrem Leistungsvermögen gemessenen peinlichen 62,61 Meter: „Ich habe nervlich versagt. Ich stand völlig neben mir.“ Maritza Marten siegte mit 70,06. Der 24jährige Florian Schwarthoff zeigte dagegen, daß er endgültig in die Weltelite der Hürden-Sprinter gerannt ist. In 13,29 Sekunden erreichte der Architekturstudent hinter Mark McKoy (13,12), dem Amerikanern Tony Dees (13,24) und Jack Pierce (13,26) sowie dem Briten Tony Jarrett (13,26) den fünften Platz. „Flo“ war damit nicht glücklich: „Das ist eine fürchterliche Enttäuschung. Ich hätte eine Medaille drin gehabt.“
Mit der Jahresweltbestzeit von 1:55,54 Minuten sicherte sich Ellen van Langen Gold über 800 Meter. Die 26jährige Niederländerin ließ in einem fulminanten Schlußspurt Lilia Nurutdinowa (GUS) und Ana Fidelia Quirot (Kuba) keine Chance.
Die Qual der deutschen Leichtathleten hatte sich schon am Vormittag fortgesetzt. Diskus-Weltmeister Lars Riedel (Mainz) warf völlig daneben. Der 25jährige gebürtige Sachse scheiterte als 14. mit indiskutablen 59,98 Metern bereits in der Qualifikation und verließ ohne Erklärung fluchtartig das Stadion. Auch Heike Meißner (Dresden) mußte im Halbfinale über 400 Meter Hürden passen. Silke Knoll (Dortmund) überstand als Vierte in 22,46 Sekunden den 200-Meter-Zwischenlauf. Die Jamaikanerin Merlene Ottey, enttäuschte Fünte über 100 Meter, lief dabei mit 21,94 Sekunden eine Jahresweltbestzeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen