: Das TV spielt Schiffe versenken
■ Das deutsche Kino läuft im TV oder: Frank Beyers „Letztes U-Boot“ kommt
Frank Beyer will es einfach nicht wahrhaben. Fernsehspiel, Spielfilm, wo ist da schon der Unterschied? „Fernsehspiel, das ist kein Begriff, mit dem ich was anfangen kann“, antwortet der 60jährige Regisseur aus der DDR trotzig, der gemeinsam mit Milos Forman in die Schule ging. Doch während es Forman nach Hollywood zog, blieb Beyer im Babelsberger DEFA-Studio für Spielfilme. Forman bekam für „Amadeus“ zahlreiche Oscars und Beyer für seine „Spur der Steine“ (1966) jede Menge Ärger. Lange Jahre stand ihm das Kino nur offen, wenn er sich dafür eine Eintrittskarte kaufte. Es entbehrt nicht der Tragik: Waren es zu DDR-Zeiten politische Gründe, die Beyer in seiner Arbeit einschränkten, liegt es heute an der desolaten Lage der deutschen Filmwirtschaft, daß seine Filme nicht im Kino, sondern „nur“ im Fernsehen laufen.
Doch nur selten sehen sich Leinwand- und Pantoffelkino auf den ersten Blick so ähnlich wie bei diesem Projekt, das jetzt in Polen und den Babelsberger DEFA-Ateliers realisiert wird. „Das letzte U-Boot“ ist die bislang größte internationale Koproduktion des deutschen Fernsehspiels. Produzenten aus drei Kontinenten arbeiten unter Federführung des ZDF zusammen: die japanische Fernsehfirma NHK, die US-amerikanische TV-Gesellschaft ABC, der ORF und Manfred Durnioks Berliner Filmproduktion haben sechs Millionen zusammengekratzt, um die Unterwasser-Zigarre auf die Reise zu schicken. Das ist die „Obergrenze von dem, was im Fernsehspiel möglich ist“, erläutert ZDF-Redakteur Alfred Nathan. Zum Vergleich: 35 Millionen hat „Das Boot“ von Wolfgang Petersen gekostet.
Frank Beyer ist nicht der einzige prominente Name auf der Besetzungsliste. Ulrich Tukur (der Mann, der als Herbert Wehner auch bei der ARD unter Vertrag steht), Mathias Habich und Udo Samel gehören zu der internationalen Crew. Kameramann Witold Sobocinski arbeitete schon für Regisseure wie Andrezj Wajda und Roman Polanski. „Brocken“-Autor Knut Boeser hat die Geschichte des Bootes aufgeschrieben. Etwaige Ähnlichkeiten der Handlung mit dem wirklichen Leben sind beabsichtigt: 1945 schickte Hitler ein U-Boot mit Geheimmaterial und deutsch-japanischer Besatzung nach Tokio zu seinen letzten Verbündeten. Als das Dritte Reich kapituliert, kennen die Konflikte an Bord keine Grenzen mehr.
Das Ganze versteht sich „nicht als Kriegsfilm, sondern als psychologischer Realismus“, so die Fernsehspiel-Redaktion. Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ steht Pate: Unterschiedliche Charaktere und Überzeugungen kollidieren in einer Extremsituation. Die Ko-Produzenten hätten zunächst unterschiedliche Vorstellungen von dem Film gehabt: Die Japaner wünschten sich ein „Samurai-Epos“, die Amerikaner „einen heroischen Action-Movie“ und die Deutschen „ein philosophisches Kammerspiel“, erzählt Boeser.
Wenn der Leinwand-Glamour auf Mattscheiben-Produktionen abstrahlt, gibt's auch bei der Pressekonferenz stets großen Bahnhof. Alle sind da. Die Fotografen scharen sich um Tukur mit Dreitage-Bart. Man bedankt sich artig und gegenseitig für die gute Zusammenarbeit. Die japanischen Dolmetscherinnen wispern die Übersetzung. Produzent Manfred Durniok („Mephisto“, „Sweet Emma, Dear Böbe“) bedankt sich für Spielfilm-Plädoyers aller Art: Denn auch nachdem die Treuhand einem französischen Konzern den Zuschlag für die traditionsreichen Babelsberger Ateliers erteilt hat, sei „Das letzte U-Boot“ der einzige Film, der dort zur Zeit gedreht wird. Der nicht verstummende Ruf nach dem Kino verstimmt TV-Redakteur Nathan: Er sähe es nicht ein, wenn Verleiher mit Koproduktionen Geschäfte machen und er einen Film erst nach zwei Jahren Sperrfrist im Fernsehen zeigen könne. Frank Beyer gibt nicht auf: „Ich kämpfe um's Kino, ich will Filme drehen.“ Nur die Enge des U-Bootes, nicht das Fernsehen habe ihm die Arbeitsweise aufgezwungen. Keine Kamerafahrten seien in dem eisernen Sarg möglich gewesen.
Kurz vor der Berlinale, am 10. Februar, hat der Film beim Fernsehfestival in Monte Carlo seine Europa- Premiere. Danach wird das ZDF das Schiff für alle im Abendprogramm versenken. Sabine Jaspers
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