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Verkehrssenator soll Brückenstraße sperren

■ Neue Studie zur Gesundheitsgefährdung von Kindern durch Auspuffgase/ Greenpeace fordert, daß die Brückenstraße sofort gesperrt wird

Berlin/Hamburg. Die Anwohner der Brückenstraße im Bezirk Mitte haben in diesem Jahr bereits so viele Auspuffgase eingeatmet, daß die Straße bis Jahresende für den gesamten Verkehr gesperrt werden müßte. Denn in Berlins von Autoabgasen am stärksten belasteter Straße hätten die Anwohner bereits jetzt die zugelassene Jahresmenge von Benzol, Kohlenmonoxid und Stickoxid einatmen müssen, sagte gestern Karsten Smid, Luftexperte von Greenpeace in Hamburg. Neben Sofortmaßnahmen müßten Berlin, aber auch andere Großstädte, auf die zunehmende Luftverpestung durch Auto- und Lastwagenabgase mit neuen Verkehrskonzepten reagieren.

Greenpeace hatte in diesem Jahr in Hamburg, München und Leipzig die Luftbelastung in unmittelbarer Nähe von Schulen und Kindergärten sowie auf Schulwegen die Luftqualität in 1,20 Meter Höhe gemessen — die Höhe, in der sich Kinder aufhalten. Dabei ergaben sich Schadstoffbelastungen, die erheblich höher lagen, als die, die von offiziellen Stellen gemessen worden sind. In allen Städten habe das für Kinder gefährliche Reizgas Stickstoffdioxid zu Zeiten des Berufsverkehrs eine Konzentration um 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht. Auch das Blutkrebs verursachende Benzol lag über dem Grenzwert von 10 Mikrogramm, den Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) in einem Gesetzentwurf vorschlägt. Bei Kindern führe die Luftbelastung zu einer Schwächung der Immunabwehr und zu erhöhter Allergieanfälligkeit, bemängelt die Umweltschutzsorganisation, als sie in dieser Woche die Meßergebnisse präsentierte.

Greenpeace hatte in Berlin die Luftbelastung nicht gemessen. Die Hamburger, Münchner und Leipziger Werte würden sich aber mit den Ergebnissen der »Studie zur Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den Kfz-Verkehr« decken, die der Senat im Frühjahr dieses Jahres vorgestellt hatte. Smid wirft dem Berliner Senat vor, die alarmierenden Ergebnisse der Studie nicht ernst zu nehmen. Im Jahr 1995 möglicherweise nur noch Autos mit Katalysator innerhalb des Berliner S-Bahn- Rings (1,1 Millionen Einwohner) fahren zu lassen, sei zu spät und nahezu wirkungslos. Die Abgasreiniger funktionierten bei Stadtfahrten unter sechs Kilometer nur ungenügend — durch den zunehmenden Verkehr würde ohnehin jeder Erfolg in der Luftreinhaltepolitik zunichte gemacht.

Neben der Sperrung der Brückenstraße dürfe der Innenstadtring nicht vervollständigt werden und müßten bestimmte vorhandene Straßen ersatzlos entfernt werden. Eine Politik nach dem Motto »Autofahren statt Atmen« sei zynisch, sagte Smid. Daß in Berlin Bürger für das Recht auf frische Luft auf die Straße gehen müssen, sei ein Zeichen dafür, daß der hiesige Verkehrssenator versagt habe. Dirk Wildt

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