: Geht's jetzt los?
■ Die Welt ist wieder in Ordnung: Becker und Stich taumeln als Doppel engumschlungen ins Halbfinale
Barcelona (dpa) — Nachts um halb zwölf war die Welt wieder in Ordnung. Boris Becker (24) und Michael Stich (23) lagen sich in den Armen, glückliche Sekunden lang, engumschlungen, trunken vor Freude. Was war das für eine Erlösung, nach den frustrierenden Niederlagen im Einzel, nach diesem fast vier Stunden dauernden Nerven-Duell gegen die gleichwertigen Spanier Emilio Sanchez und Sergio Casal. Ein Tennis- Volksfest war es für das Publikum (7.000), eine Befriedigung für die beiden Wimbledonsieger: Die erträumte Medaille gehört ihnen, mindestens in bronzener Ausführung (im Halbfinale warten die Argentinier Frana/Minussi).
Vor 13 Monaten ist dasselbe Bild schon einmal um die Welt gegangen: Becker und Stich in der Umarmung auf dem Centre Court von Wimbledon. Diesmal war alles anders, denn diesmal hatten beide gewonnen: Der dramatische 6:3, 4:6, 7:6 (11:9), 5:7, 6:3-Erfolg bescherte dem ungleichen Duo die begehrte olympische Trophäe.
Daß Becker und Stich am Ende dieses mitreißenden und hochklassigen Spiels mit Daviscup-Charakter als Sieger vom Platz gingen, kann nicht allein an Tennis-Fähigkeiten festgemacht werden. Es war der unumstößliche Wille, Olympia nicht mit leeren Händen zu verlassen, der beiden die Kraft und die Nerven zum Erfolg gab. Eine Szene wie am Ende des vierten Satzes — der Schiedsrichter gab einen zweimal aufgesprungenen Ball gut, womit die Spanier Satzball hatten — hat manch anderes Doppel schon aus der Bahn geworfen. Doch die beiden Deutschen reagierten wie schon das ganze Match über: Sie feuerten sich an, hieben sich nach alter Yankee-Sitte nach jedem Ballwechsel gegenseitig auf die Hand und demonstrierten so ihren Siegeswillen. Als es im fünften Satz darauf ankam, war besonders Becker hellwach. „Er hat bewiesen, daß er doch nicht nur zum Kaffetrinken nach Barcelona gekommen ist“, schrieb am Mittwoch El Mundo Deportivo.
Mit Fug und Recht läßt sich sagen, daß nicht das zum Außenseiter-Rennen gewordene Einzel, sondern der Doppel-Wettbewerb offensichtlich den größeren olympischen Reiz hat. Die Identifikation der Spieler als Mannschaft, die „Espania, Espania“- und „Jetzt geht's los“-Sprechchöre zeigten, daß es nicht mehr — wie im Einzel oft beklagt — ein Turnier wie jedes andere ist.
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