: Privatisierung macht den Kohl nicht fett
■ Wert von Stadtwerken und BLG zweifelhaft — Gewoba ist ein fetter Happen
Die Nebenbemerkung des Bremer Finanzsenators, daß auch Privatisierungen öffentlicher Unternehmen nicht tabu sein dürften, hat die Arbeitnehmervertreter mobilisiert und die politische Öffentlichkeit alarmiert. Was wäre, wenn... ?
Die Gewoba könnte eine Milliarde einbringen
Der Pressesprecher der Gewoba, Höft, reagiert gelassen auf das Thema Privatisierung. Natürlich habe man sich „intern“ darüber Gedanken gemacht, für Firmen dieser Größenordnung sei das „irgendwann zwangsläufig“ ein Thema. „Langfristig richtig und lohnend“ sei es allemal, denn derzeit stehen dem Buchwert der 44.000 Gewoba-Wohnungen zwar fast ebenso hohe Schulden gegenüber, aber der Verkehrswert der Wohnungen dürfte insgesamt bis zu einer Milliarde höher liegen. Das Land Bremen hat seine 75 Prozent Gewoba-Anteile für 75 Pfennig gekauft und ein zinsloses Darlehen von 69 Millionen dazugegeben, ein Verkauf wäre also ein gutes Geschäft.
Aber nur, wenn das Unternehmen auch Gewinne ausweisen kann. Und das wird erst 1994 der Fall sein. „Man kann sowas nicht ankündigen zu einem Zeitpunkt, wo das Unternehmen an der Börse nicht präsentabel ist. Dafür muß die Tochter noch geputzt werden“, findet Höft, und fügt in vorsichtiger Kritik am Finanzsenator hinzu: „Eine Bank hätte das nicht gemacht...“ Insofern sei man bei der Gewoba „nicht glücklich“ über die losgetretene Debatte.
Stadtwerke — unschätzbar
Auch die Stadtwerke gehören Bremen nur zum Teil, 20 Prozent der Aktien (in einem Gegenwert von ca. 100 Millionen Mark) sind bei Banken „geparkt“. Dies war Mitte der 80er Jahre von einem Bündnis gewerkschaftlicher und umweltpolitischer Interessen in der Bremer SPD durchgesetzt worden, um einen Teilverkauf an die große Atomstrom-Konkurrenz Preag zu vermeiden. Stadtwerke-Sprecher Berndt kann so bestätigen, daß es „latent immer schon solche Überlegungen“ gegeben hat, einen aktuellen Anlaß, den Wert der Stadtwerke zu schätzen, sieht er allerdings nicht. Auch daß dieser Wert durch die Aufhebung von alten deutschen Stromliefermonopol-Regelungen 1993 sinken könnte, wenn der Großkunde Klöckner (1/3 des bremischen Stromverbrauchs) frei seinen Lieferanten wählen kann, befürchtet Berndt nicht: ein „kompliziertes Vertragswerk“ binde Klöckner an den bremischen Stromerzeuger, und daß jemand „ernsthaft billiger“ liefern könnte, ist ihm unvorstellbar.
Wieviel die Stadtwerke wirklich wert wären, ist aber noch aus einem anderen Grund unsicher: Zwar weist die veröffentlichte Bilanz für 1991 einen Gewinn von 33,3 Millionen aus, Energie-Experten gehen aber davon aus, daß zwei Drittel, also ca. 20 Millionen, aufgelöste Rücklagen sind. Während 33 Millionen gewinn einer Umsatzrendite von 2,7 Prozent entsprächen, geht die Arbeitsgruppe Energiepolitik der Grünen aufgrund interner Informationen davon aus, daß die wahre Umsatzrendite unter 1 Prozent liegt.
Der Leiter der Energie-Abteilung im Bremer Umweltressort, Edo Lübbing, ist aus prinzipiellen Gründen strikt gegen einen Verkauf der Stadtwerke: Auswärtige Konzerne sitzen in aller Regel auf Atomstrom-Überkapazitäten und werden bremische Stromerzeugungsanlagen nicht erneuern, wenn die wegen Überalterung abgeschaltet werden müssen, fürchtet Lübbing. Insofern entstünden auch für die 3.000 Beschäftigten Risiken. Investitionen in Bremen, die im Interesse der Stadtgemeinde liegen, könne man vergessen. Etwa die Fernwärme — deren betriebswirtschaftliche Rentabilität bezweifelt wird — würde nicht ausgebaut, wenn Atomstrom-Konzerne in den Stadtwerken das Sagen haben.
Bei der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG), die die Häfenpolitik des Landes stark beeinflußt, will überraschenderweise der CDU-nahe ehemalige Präses der Handelskammer, Berghöfer, nichts von Privatisierung wissen.
Handelskammer-Mann gegen BLG-Privatisierung
Die BLG hat ein Stammkapital von 12 Millionen Mark, Bremen hält davon 51 Prozent — ein Verkauf würde nur 6 Millionen bringen, rechnete Berghöfer vor — also praktisch nichts.
Derzeit ist die BLG vollkommen mit staatlichen Behörden verflochten. Alle Investitionen kommen aus dem Landesetat, die Grundstücke der BLG sind kostenlos überlassen. Eine Privatisierung der BLG müßte also eine völlige Neuorganisation des Hafenbetriebes voraussetzen — einzelne Bereiche der bremischen Häfen wie auch der Hafenbetrieb in Hamburg sind durchaus privat als Dienstleistungsbetrieb organisiert. K.W.
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