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Ich bin ein Kaninchen-betr.: "Revolte in Weiß", taz vom 3.8.92

betr.: „Revolte in Weiß“,

taz vom 3.8.92

„Die kaninchengleiche Vermehrung der Ärzteschaft“ ist, sehe ich mir die taz-Häme der letzten Tage gegen Ärzte und Zahnärzte an, wohl mal wieder an allem schuld. Die Ärzte sind zu teuer, noch dazu ungesund für ihre Patienten, die Ärzte sind dick und gefräßig, die Ärzte sind...

Von drei Artikeln auf der Tagesthema-Seite bemüht sich einer, sachlich zu bleiben, die beiden anderen erreichen in ihren Pauschalisierungen und der beständig die Ärzte abwertenden Sprache noch nicht einmal den Informationsgehalt der „Schwarzwaldklinik“.

Selbst dem ärztlichen „Nachwuchs“ angehörend, ist mir persönlich eine Kritik der ärztlichen Sprache längst zum Anliegen geworden.

Was die taz hierzu unter der Überschrift „Ärzte auf dem Kriegspfad“ bringt, bleibt aber blaß und vordergründig; mein Eindruck ist, es geht nur darum, den Ärzten eins auszuwischen. Die allerdings dringend notwendige Kritik an Orwellschen Wortschöpfungen wie z.B. „Gesundheitsstrukturgesetz“ (Was wird mit diesem Wort bezweckt? Was wird verdeckt?) unterbleibt, ebenso die Reflexion, ob Sachlichkeit den vielschichtigen Problemen des Gesundheitswesens nicht angemessener wäre als Voreingenommenheit.

„Brotlose Kunst aber wird die Medizin auch künftig nicht sein.“ Viel zu oft ist sie es heute schon, auch wenn es niemand glauben will. Als „Kaninchen“ (s.o.) arbeite ich durchschnittlich 60 Stunden pro Woche als Stationsarzt (mit dem 1988 eingeführten, kuriosen Status eins „Arztes im Praktikum“) in einem Kreiskrankenhaus, für den Lohn eines Maurerlehrlings (3. Lehrjahr). Damit gehöre ich bei den jungen Ärztinnen und Ärzten schon fast zu den Privilegierten... Franz Wagner,

Bad Friedrichshall

Ihre Schadenfreude, daß es jetzt gegen die Ärzte geht, mag ja verständlich sein, aber welche Berufsgruppe würde denn an die Arbeit gehen mit der Einstellung: „Geschieht mir ganz recht, daß ich jetzt weniger verdien', warum haben die Kollegen auch immer so angegeben mit ihren dicken Autos.“ Die Kosten steigen, und wer zur Existenzgründung ein Darlehen aufgenommen hat, das er unter geänderten finanziellen Bedingungen vielleicht nicht mehr bedienen kann, der hat eben selber schuld.

Der Beitrag der Ärzte zum Sparen besteht schon seit längerem in einem Einkommensstopp. Es gibt ein „gedeckeltes Honorar“, d.h. es wird eine Gesamtsumme an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlt, die dann für die Verteilung zuständig ist. Wird mehr Leistung erbracht, als bezahlt werden kann, so wird eben weniger für die einzelne Leistung bezahlt. Das erfährt Arzt aber erst hinterher. Diese Situation ist unter anderem mit daran schuld, daß Ärzte, wenn es um ihre Honorare geht, so besonders empfindlich reagieren.

Es ist doch eine Zumutung, investieren und wirtschaftlich planen zu müssen und zum Teil erst sechs Monate später zu erfahren, ob man kostendeckend gearbeitet hat. In keinem anderen Beruf gibt es eine derartige Situation ständiger wirtschaftlicher Unsicherheit. Das führt zu — vielleicht überzogenen — Angstreaktionen. [...]

Führen Sie sich doch einmal vor Augen, in welche Situation Ärzte kommen, wenn sie bei jedem Rezept abwägen müssen, ob das Medikamentenbudget überzogen ist. Niemand würde auf Dauer so handeln, daß er sich selber wirtschaftlich schädigt.

Mag ja sein, daß die Ärzteschaft sich in der Vergangenheit zu vertrauensvoll von der Pharmaindustrie hat umarmen lassen, mag ja auch sein, daß die Interessen der Patienten hier nur vorgeschoben werden — aber wie soll das denn gehen, wenn ein Patient ein Medikament braucht, das, sagen wir, 150 Mark kostet, mein Kontingent aber verbraucht ist? Reizt das denn zu verantwortungsvollem Handeln, wenn ich die 150 Mark selber bezahle und dafür 12 Mark Beratungsgebühr von der Kasse einstreichen darf?

Nebenbei: Nur wer einen Computer besitzt, hat überhaupt die Chance, sich diese Frage zu stellen. Für den noch normalen Arzt gilt, wie in unserem gesamten Honorarwesen: abgerechnet wird hinterher, und erst wenn sich nichts mehr ändern läßt, wird die Rechnung präsentiert. Ja, wie soll da denn noch Freude an der Arbeit aufkommen? [...]

Es täte gut, mehr auf das zu hören, was Ellis Huber sagt. Auch wenn ihm als Nichtkassenarzt gerne die Kompetenz abgesprochen wird, hat er nur zu recht, wenn er bemerkt, daß das ganze derzeitige Abrechnungssystem unmenschlich ist und zu einer Verwahrlosung der Medizin führt. Und es gibt viele Kollegen und Kolleginnen, die ebenso denken und denen es egal ist, ob dieser Schwachsinn nun gut oder weniger gut bezahlt wird — wenn er nur ein Ende hätte. Auch wenn das die Spitzenfunktionäre nicht gerne hören. Sonja Chevallier, Lübeck

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