: Design oder Nichtsein
■ Das Logo der Republik, die fette Henne, soll durch einen mageren Gockel ersetzt werden
Bonn (taz) — Bezaubert hat uns die fette Henne nie. Nun aber, da sie ohne Not von einem mageren Gokkel abgelöst werden soll, weil ein paar Bonner Bürokraten so entschieden haben, wollen wir der Dame, die im besten Alter sich befindet, mutig und metaphernreich zur Seite stehen: Mit der Spitze des Eisbergs wollen wir so lange die Spreu vom Weizen trennen, bis enteneiergroße Hagelkörner vom Himmel über Bonn darniederregnen und Montezumas Rache auch den letzten Petrijünger, der im Wasserwerk im trüben fischt, getroffen hat.
Die Geschichte ist nämlich die: Vor 39 Jahren hat man im Bundestag das Logo der Republik an die Wand gehängt: den Adler, wir kennen ihn aus der „Tagesschau“. Die Abgeordneten verpaßten dem Staatstier den Spitznamen „fette Henne“, was vermutlich damit zusammenhängt, daß der Bildhauer Ludwig Gies den Gipsadler dreidimensional gestaltet hat. Als der Bundestag 1986 in das alte Wasserwerk umzog, rissen Bauarbeiter dem Vogel die Flügel aus. Auf fünf Kisten wurde sein Corpus verteilt, seitdem ruht er im Keller des Bundesbauministeriums. Anstelle des Originals wurde eine verkleinerte Kopie an die Wand gepinnt. Am 30.Oktober dieses Jahres soll der Bundestag wieder umziehen: nicht nach Berlin, sondern ein letztes Mal von Bonn nach Bonn. Den neuen Plenarsaal soll aber keine Kopie der fetten Gipshenne schmücken, sondern ein flacher, grauer Aluminiumadler. Der neue Staatsgockel hat zwar den gleichen Grundriß wie die Henne— ansonsten sieht er ihr aber gar nicht ähnlich. Das brachte die Erben des Bildhauers in Rage, sie sahen die Urheberrechte verletzt. Das Bundesbauministerium schaltete auf stur: Der Ursprungsadler sei kein Kunstwerk, sondern allenfalls ein Staatsmöbel, der neue kein Plagiat, sondern eine Referenz an Ludwig Gies.
Nun ist Deutschland in Not. Welcher Adler wird seine Schwingen über den ParlamentarierInnen ausbreiten, wenn sie am 30. Oktober in ihrem neuen Domizil Platz genommen haben? „Einer von beiden wird schon hängen!“ erklärt genervt Abteilungsleiter Mues. Die Erben haben mit juristischen Schritten gedroht, ein Antrag auf einstweilige Verfügung, der das Anbringen des Alu-Adlers verbieten soll, liegt schon in der Schublade. „Sollen die doch klagen“, meint Mues lapidar, „das beeindruckt mich überhaupt nicht.“
Aber die Bauherrin des Bundestages, Rita Süssmuth, hat durchaus begriffen, daß das Parlament kein Wienerwald- Lokal ist. In einem Brief an die Verwertungsgesellschaft Bild und Kunst — diese Institution vertritt die Interessen der Erben — leistete Frau Präsidentin am Wochenende Abbitte. Der neue Adler werde so lange nicht aufgehängt, bis man sich mit den Nachfahren des Künstlers über Größe, Form und Farbe geeinigt habe. „Technisch begründete Veränderungen sind möglich, auch gegen eine Verkleinerung des Originals haben wir nichts“, lautet nun der Kompromiß der Bild-und- Kunst-Gesellschaft.
Noch im August will sich Frau Süssmuth mit den Erben treffen und die Adlerfrage klären. Dann heißt es für die Henne: Design oder Nichtsein. Schön ist es nicht, das alte Staatshuhn — aber ein schnödes Ende auf dem Alu-Grill, das wünschen wir auch unseren ärgsten Feinden nicht. CC Malzahn
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