Der Ungläubige vom Titisee

■ Der SC Freiburg setzt sich durch ein 2:1 bei Waldhof Mannheim an der Spitze der 2. Bundesliga fest

Mannheim (taz) — Eine Stunde vor Spielbeginn saß er auf der Mannheimer Bank, drehte genüßlich seine Halfzware-Zigaretten und hielt einen lockeren Plausch mit Freiburger Journalisten. Volker Finke, der Systemveränderer aus dem Norden, der dem spielerisch schon immer starken SC Freiburg bereits im letzten Jahr so viel Selbstvertrauen gegeben hatte, daß der Aufstieg in die erste Bundesliga nur unglücklich verpaßt wurde. In den letzten zehn Jahren begannen die Freiburger die Saison meist sehr erfolgreich, rutschten jedoch permanent spätestens in der Rückrunde ins Mittelmaß ab. Doch diesmal wissen viele derer, die den Leidensweg der Rot-Weißen Jahr für Jahr mitverfolgten, daß dieses Saisonende ein triumphales sein wird. Nie zuvor habe der SC so hervorragend gespielt, traumhaft kombiniert, die Gegner ausgetrickst und vorgeführt und noch dazu souverän die Tabellenspitze angeführt.

Mannheims großkotziger Stadionsprecher Bruno Ganz hatte in völliger Verkennung dieser Tatsachen nach dem letzten Waldhof-Heimspiel gegen den VfB Oldenburg die wenigen Zuschauer mit einem „Jetzt freuen wir uns auf den SC Freiburg, der verliert hier immer so schön“ verabschiedet. Es wäre ja auch ein passender Anlaß zu einem Sieg der Blau-Schwarzen gewesen. Klaus Toppmöller, ihr Trainer, feierte Geburtstag. Und über dem alten Waldhof-Stadion lag die dunkle Drohung des Sturzes in die Tabellengefilde, die dem SVW vor Beginn der Saison als realistische vorgegeben worden waren. Doch drei glückliche magere Siege in Köln, gegen Unterhaching und Düsseldorf hatten einigen in Mannheims Norden die zuvor klare Sicht verstellt. Schon das 0:6 von Osnabrück und das 0:1 bei den Stuttgarter Kickers hatten offenbart, daß sich der SV Waldhof mitten in einem Neuaufbau befindet, der nach dem Plan von Klaus Toppmöller rechtzeitig zur Fertigstellung des neuen Stadions mit dem Bundesligaaufstieg abgeschlossen werden soll.

Doch dieses Jahr gehört dem SC Freiburg der Vortritt. Vor 8.000 Zuschauern dominierten zwar zunächst die stürmischen Arbeiter mit viel Kampf und Kraft, mußten aber spätestens ab der 40. Minute das klügere Spiel der Gäste als das erfolgreichere akzeptieren. Waldhof vergab beste Chancen, derweil lehnte der legere Volker Finke in stoischer Ruhe mit dem Arm auf dem Dach der Trainerbank und sah dem Treiben zu. Auch ein von Martin Braun vergebener Foulelfmeter änderte daran nichts. Als in der 30. Minute Torsten Wohlert Mannheim in Führung brachte, hatte das nur zur Folge, daß sich der SC jetzt auf seine Stärken besann und im Fünf-Minuten-Rhythmus vor und nach der Pause für klare Verhältnisse sorgte. So gelang Uwe Spies in der 40. Minute der Ausgleich, der Ex- Waldhöfer Kroate Damir Buric erzielte in der 50. den Siegtreffer.

Die restliche Spielzeit hätte der SC dazu nützen können, sein stolzes Torverhältnis von 23:8, das allein schon rosige Zeiten an der Dreisam und im gleichnamigen Stadion garantiert, auszubauen. Doch auch Intelligenzlern wie den Spielern aus der Universitätsstadt im Grünen gelingt nicht alles.

Vor den kommenden Spielen braucht ihnen aber nicht bange sein, derweil der SVW sich anstrengen muß, um sich dauerhaft im oberen Mittelfeld zu halten und nicht auf einen der gefährlicheren Plätze zu gelangen. Die Freiburger freuten sich jedenfalls über ihren verdienten Sieg, nur einer nicht. Der stand mit einem blau-weißen Käppi des SV Titisee traurig in der Straßenbahn zum Mannheimer Hauptbahnhof und behauptete steif und fest, gegen alle Überzeugungsversuche Mitreisender, der SC Freiburg habe gegen Waldhof mit 1:2 verloren. So manch einer im Breisgau kann es denn doch noch gar nicht fassen. Günter Rohrbacher-List