piwik no script img

Periodische Sirenengesänge

■ Der rumpfjugoslawische Premier kündigt die Anerkennung Bosnien-Herzegowinas an

Periodische Sirenengesänge Der rumpfjugoslawische Premier kündigt die Anerkennung Bosnien-Herzegowinas an

Das Spiel ist so bekannt wie durchsichtig. Immer wenn eine wichtige Entscheidung internationaler Instanzen bevorsteht, erklingen in Belgrad Friedensschalmeien. Das war so, als die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die EG ins Haus stand, dann, als die UNO zur Debatte über Sanktionen gegen Serbien und Montenegro zusammentrat, schließlich, als die KSZE-Konferenz in Helsinki über eine Seeblockade beriet. Wenn nun der aus den USA importierte rumpfjugoslawische Ministerpräsident zwischen Ankara, Athen, Sarajevo und Tirana hin- und herwieselt und das Blaue vom Himmel verspricht — just bevor die UNO eine Resolution verabschiedet, die den militärischen Schutz humanitärer Hilfe in Bosnien- Herzegowina mandatiert —, setzt er nur die Tradition serbischer Sirenengesänge fort.

Milan Panic verspricht, die Republik Bosnien- Herzegowina anzuerkennen, „sobald der Krieg beendet ist“, während der serbische Präsident Slobodan Milosevic mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, der das von seinen Truppen besetzte Gebiet gerade in „Serbische Republik“ umbenannt hat, einen Verteidigungspakt schließt. Künftig werden also Waffen- und Soldatenlieferungen aus Belgrad, wie sie allen Dementis zum Trotz ohnehin schon gang und gäbe sind, sanktioniert. Panic verspricht, den Ausnahmezustand im albanisch besiedelten Kosovo aufzuheben, während Milosevic sich weigert, dort seine Soldaten abzuziehen. Panic und Milosevic ergänzen sich optimal: Der eine redet, der andere handelt.

Ob Panic guten oder schlechten Willens ist, aufrichtig oder hintertrieben, ist eine nachrangige Frage. Fakt ist, daß nicht er, sondern Milosevic die Macht der Waffen hinter sich hat. Der Ministerpräsident erklärte, sein Land sei bereit, die Einrichtung eines Sicherheitskorridors nach Sarajevo zu garantieren und die Militärflughäfen in Bosnien- Herzegowina der Kontrolle der UNO zu unterstellen. Seit drei Monaten bestreiten aber sowohl der rumpfjugoslawische wie auch der serbische Präsident, daß die jugoserbische Armee in den Krieg überhaupt involviert ist. Die bosnisch-serbischen Verbände stünden jenseits ihrer Kontrolle, behaupten sie. Falls sie nun also die bosnisch-serbischen Einheiten bewegen können, einen Sicherheitskorridor zu garantieren und den Flughafen von Banja Luka, von dem die todbringenden Bomber aufsteigen, der UNO zu unterstellen, hätten sie dies schon lange tun können. Es mag auch jetzt nicht zu spät sein. Nur zu. In hundert Tagen werde er Frieden schaffen, hat Panic bei seinem Regierungsantritt versprochen. 38 Tage davon sind bereits verflossen. Die UNO tut gut daran, sich nun eigene Optionen zu erschließen, um zumindest die Zahl von Hungertoten, Massakrierten und Vertriebenen einzudämmen, für den voraussehbaren Fall, daß der Sirenensänger von Belgrad es nicht schafft, sein Wort zu halten. Thomas Schmid

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen