: Polit-Profis auf Zeit
Polit-Profis auf Zeit
Die Krise der Hamburger Politik ist nicht allein mit den Vokabeln Selbstbedienungsmentalität, Unfähigkeit oder Politikverdrossenheit beschrieben. Das politische System selbst führt zu Filz und Unfähigkeit. In einer immer arbeitsteiligeren und spezialisierteren Gesellschaft leistet sich Hamburg den doppelten Luxus von parteipolitischen Ehrenämtern und Amateurstatus der Bürgerschaft.
Ein absurdes System: Da befassen sich ehrenamtliche Parteifunktionäre und feierabendliche Parlamentarier mit Milliardeninvestitionen, entschuldigen ihr Unvermögen mit dem Amateurstatus, gieren aber, meist erfolgreich, nach vollberuflicher Entlohnung auf krummen Wegen. Ein prima Arrangement: Da eigentlich Amateur, kann Leistung nicht verlangt werden, da heimlich Berufspolitiker, gibt's dennoch Bezahlung. Lebensinhalt eines Berufspolitikers ist deshalb der Kampf um die eigene soziale Absicherung.
Was kann aus diesem Teufelskreis herausführen? Wird Politik dann wieder ehrlicher, wenn sie sich zur Basisdemokratie entwickelt, Geschworenengerichte statt Berufsrichtern sozusagen? Ich halte das für eine falsche Sozialromantik. Natürlich muß sich Politik viel direkter von den Betroffenen kontrollieren und bewerten lassen. Aber gleichzeitig muß sich Politik auch neu professionalisieren. Die BürgerInnen wollen Leistung sehen — dann kann auch gezahlt werden. Wer diese Leistung aber, wie viele Sozialdemokraten, durch eine Lebensstellung abgesichert haben will, pervertiert das System. Politik sollte professionelle Arbeit auf Zeit sein. Qualität müßte den Ausschlag bei parteiinternen Auswahlen geben, der Versorgungsgedanke aus dem Spiel kommen.
Die jetzt in Hamburg diskutierten Lösungsmodelle einer Wahlkreisdemokratie mit ehrlichen Teilzeitlöhnen für die Bürgerschaftsabgeordneten werden das heutige Politdilemma nicht lösen. Erforderlich wären radikale Parteireformen, attraktive Angebote für Quereinsteiger, Systeme, die Qualität belohnen und der Zwang zur Überprüfung politischen Handelns an den Wählerinteressen.
Die heutige Hamburger Verfassung und die Mehrzahl der Parteisatzungen verhindern das: Für Menschen, die etwas können und in dieser Stadt etwas bewegen wollen, ist in diesem System kein Platz. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Die BürgerInnen haben den Schaden davon. Florian Marten
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