: Urteil nach oben delegiert
■ Landgericht setzt Entscheidung über Hafenstraßen-Räumung aus
aus
„Ich bin sehr zufrieden!“ Hafenrand GmbH-Chef Wolfgang Dirksen hatte gestern Grund zur Freude. Zu Beginn der zweiten Runde der Räumungsprozesse, in dem es um die Kündigung von elf Wohnungen mit rund 35 Mietern geht, haben die drei Richterinnen der Zivilkammer 34 des Landgerichts angekündigt, getreu dem Dirksen-Ansinnen das Verfahren am 8. Oktober per Beschluß auszusetzen, um den Rechtsstreit zur „grundsätzlichen Klärung“ dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) vorzulegen.
Das OLG soll dann prüfen, ob ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom Juli 1991 auch auf den Rechtsstreit um die Hafenstraße Anwendung findet. Die Karlsruher Richter hatten damals entschieden, daß auch bei der Kündigung eines „gewerblichen Zwischenmietvertrags“ — wozu der zwischen Bewohnern und Stadt geschlossene Pachtvertrag zweifelsohne gehörte — Untermieter den gleichen Kündigungsschutz besitzen wie reguläre Hauptmieter. Richterin Uta Bordt: „Nach dem Urteil des BVG sind noch viele Fragen offen.“
Das sahen die Richter der ersten Instanz anders. Acht von zwölf Amtsgerichten folgten dem Karlsruher Votum und schmierten die Räumungsklagen der Hafenrand GmbH ab. Die Hafenstraßenanwälte warfen daher den Richterinnen vor, sich um eine Entscheidung herumzumogeln. Die Juristen sind der Meinung, daß das BVG den Instanzen gradezu den Auftrag erteilt habe, die aufgestellten Maßstäbe nun per Urteil in Rechtsformen zu kleiden.
Uta Bordts Rechtfertigung: „Es ist keine Frage, ob wir uns trauen, sondern ob wir entscheiden dürfen.“ Anwalt Ernst Medecke zur taz: „Wenn das OLG korrekt urteilt, dann bekommt die Kammer eins übergebraten und der Beschluß wird zurückverwiesen, unter dem Motto: 'Ihr habt gefälligst Recht zu sprechen‘.“
Ob das der Fall sein wird, ist jedoch zweifelhaft. Denn das OLG ist wegen seiner konservativen Rechtssprechung bei vielen Juristen verschrien. Unklar ist auch, ob die beiden anderen Kammmern, die sich im September und Oktober ebenfalls mit der Hafenstraßen-Materie befassen, der Marschroute der drei Richterinnen folgen werden. Sollte es zum kollektiven Vorlagebeschluß aller drei Gerichte kömmen, ist eine OLG-Entscheidung vor nächstem April nicht zu erwarten. Kai von Appen
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