: 2 Minuten und 56 Schläge später
■ „Lethal Weapon 3“ mit Mel Gibson und Danny Glover
Die Welt ist nicht mehr dieselbe in Los Angeles seit den mindestens 56 Schlägen und Tritten, die in nur zwei Minuten den Körper des Schwarzen Rodney King trafen und von einem Videoamateur festgehalten wurden. Und nach dem Freispruch der vier weißen Polizisten ist sie es erst recht nicht mehr. Auch im Film nicht. Schon vorher war das Los Angeles Police Department für seine Brutalität berüchtigt, aber immer noch tauglich für Klamauk und Heldentum. Der Fall Rodney King besiegelt das (Vor?) Urteil über das LAPD. Da kann eine Action-Komödie über zwei Polizisten des LAPD nur zynisch sein. Tatsächlich ist es unmöglich, diesen Film zu sehen, ohne daß dieser Amateurfilm wie ein Hintergrundrauschen im Kopf mitläuft.
Vielleicht hat Regisseur Richard Donner, Action-Experte in Hollywood („Das Omen“, „Superman“, beide vorherigen „Lethal Weapon“), diese Probleme auf „Lethal Weapon 3“ zukommen sehen, zu verhindern versucht hat er sie nicht. Es war wegen der zeitlichen Überschneidung der Produktion mit den Unruhen wahrscheinlich auch unmöglich. Eine Umlagerung in eine andere Stadt hätte auf den werbenden Effekt der Vorgängerfilme verzichten müssen und den Film gar nicht in den Verleih zu geben, steht nun mal den Prinzipien der kapitalistischen Filmwirtschaft entgegen.
Das Geräusch der Faust im Gesicht klingt vor diesem Hintergrund eben nicht nur wie ein zu lautes Schmatzen. Die zu Werbezwecken immer so genannten flotten Sprüche und das humoristisch gemeinte Faustrecht spiegeln plötzlich eine mögliche Realität und hinterlassen einen überaus schlechten Nachgeschmack. Und der teilweise makabre Humor wird zum Zynismus. „Ich schieße nicht auf Hunde. Auf Verbrecher schon, aber nicht auf Hunde,“ meint Mel Gibson, der weiße Teil des gemischtrassigen Bullen-Duos gewohnt flachsend, aber es klingt wie bitterer Ernst, denn sicherlich sind auch einige der freigesprochenen Polizisten liebende Familienväter und herzensgute Tierfreunde. In der Originalfassung sind die „Verbrecher“, auf die Gibson eher schießt als auf Hunde, sogar allgemein „people“.
Danny Glover, der schwarze Kumpan von Gibson, ist der Stichwortgeber des Stars. Nachdem Gibsons Frau im ersten „Lethal Weapon“ das Zeitliche segnete, hat Glovers Familie den leichtlippigen und penetrant schlecht angezogenen ehemaligen „Mad Max“ aufgenommen. Glover darf die Augen rollen, Angst vor Gibsons Courage haben, sich von dicken schwarzen Mammas betatschen lassen, Vaterersatz spielen, auch sonst allerlei dumme Vorurteile vom Onkel Tom bestätigen und Gibson sogar einmal eine runterhauen. Gibsons Rolle wächst neben diesem Abziehbild zum dicken Maxe. Er darf witzig und vorlaut, draufgängerisch und unvernünftig, sexy und schlechtfrisiert, kurz: ein Held sein.
Manche der Gags sind alt und hausbacken, manche wirklich neu und witzig. Wenn sich das Cop-Liebespaar Gibson und Rene Russo gegenseitig mit den erkämpften Narben zu übertrumpfen versucht: „Sieh mal hier. Da ist sie rein und da wieder raus.“ — „War das eine 22er?“ - „Nein, eine 38er.“ — „Ziemlich mickrig für 'ne 38er. So sieht 'ne...“ Doch die Grenze zwischen Ironie und Zynismus ist sehr dünn und wird allzuoft überschritten. Vor allem, wenn die Cops ihre Machtposition oder schlicht das Recht der dickeren Fäuste und dickeren Knarren gegen Zivilisten ausnutzen.
Selbst jemand wie Joe Pesci, immerhin Oscar-Gewinner für seine Rolle in Martin Scorseses „Good Fellas“, als dauerplappernde Nervensäge kann da nichts retten. Und natürlich erst recht nicht das ganze Action-Gedöns, gleich zwei gesprengte Häuser, ein loderndes Neubaugebiet, ungezählte verbeulte Autos und jede Menge Hin- und Hergehüpfe, im Fachjargon auch Stunts genannt. Die Mischung von Action mit locker brillierender Coolness war eines der Erfolgsrezepte der großen Studios in den zurückliegenden Jahren. Deswegen konnten Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis zu solchen Stars werden. Aber wo die Pyrotechniker zu Pyromanen werden, wird es ganz einfach langweilig, auch wenn Gibson und Glover tatsächlich gewisse komödiantische Talente haben.
Wäre die Welt noch wie früher, wäre „Lethal Weapon 3“ ein handwerklich perfekter Misthaufen, dessen Unterhaltungswert direkt proportional zum beim Sehen verwendeten IQ ansteigt. Aber die Welt ist zwei Minuten und 56 Schläge später nicht mehr dieselbe wie früher, und „Lethal Weapon 3“ nur mehr ein zynischer Misthaufen. Thomas Winkler
„Brennpunkt L.A. - Die Profis sind zurück/Lethal Weapon 3“, USA 1992, von Richard Donner; mit Mel Gibson, Danny Glover, Joe Pesci, Rene Russo, Stuart Wilson
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