piwik no script img

Mehr Parteien — wofür?

Parteien per se sind keine Garantie für Demokratie  ■ Von Mark Too

Es gibt etwas sehr Wesentliches, von dem Befürworter der Mehrparteiendemokratie nicht sprechen, und ich weiß nicht, ob sie es vergessen oder absichtlich weglassen.

Ich habe die Argumente der Herren Dr.Okulla, Dr.Njoya, Matiba und Rubia gründlich studiert. Eine Begründung ihrer Position jedoch kann ich nirgends ausfindig machen. Besteht sie darin, daß die KANU ihr Programm und die Verfassung nicht realisiert hat? Oder daß die KANU weiter festhält an den Grundsätzen des afrikanischen Sozialismus, gegen den sie sind? Oder opponieren sie nur aus Lust an der Opposition?

Was diese Herren und Leute wie sie wollen, ist eine Veränderung fundamentalsten Ausmaßes: Änderung der Verfassung, Restrukturierung des Parlaments, der Beamtenschaft und der Regionalverwaltungen. Das ist keine Kleinigkeit, und man scheint dabei von zwei wesentlichen Voraussetzungen auszugehen. Erstens, daß die KANU sich so radikal von den Grundsätzen der Partei, der sie selbst einmal angehört haben, entfernt hat, und daß alle Anstrengungen, sie durch Dialog zu Kursänderungen zu bewegen, fehlgeschlagen sind, so daß Befürworter von Veränderungen keine andere Möglichkeit mehr haben, als ihre eigene Partei zu gründen. Zweitens setzt das offenbar voraus, daß die, die eine neue Partei — oder gleich mehrere — gründen wollen, einer anderen politischen Philosophie anhängen als der des afrikanischen Sozialismus, also vielleicht Anhänger des Marxismus oder des „Konservativen Kapitalismus“ sind und sich deshalb in der KANU nicht wohl fühlen. Falls dem so ist, sollten sie mit der Sprache herauskommen.

Aber keiner sagt uns etwas Genaues. Alles, was wir lesen, sind billige Schlagworte wie: „Nach einem Vierteljahrhundert Unabhängigkeit sind Stammesunterschiede kein nennenswertes Element kenianischer Politik mehr“ oder „Wir sind nicht mehr die Afrikaner von vor hundert Jahren“ oder „Die Gründung vieler Parteien bedeutet ebensowenig eine automatische Wiederbelebung der Stammesstrukturen wie die Existenz einer einzigen Partei Marxismus bedeutet“ und „Wir wollen eine Veränderung der Verfassung nicht morgen, wir wollen sie sofort“.

Falls diese Slogans alles sind, was sie uns als Grund zur Veränderung bieten können, muß man sich fragen, ob solche Anhänger von Änderungen es wirklich ernst meinen. Mein Eindruck ist, daß sie im besten Fall von Agenten des Chaos benutzt werden, die auf Stabilität und Fortschritt in unserem Land eifersüchtig sind. Im schlimmsten Fall handelt es sich bei ihnen um engstirnige Stammesfürsten, die der Muranga-Gruppe angehören. Nach ihrem erfolglosen Versuch, das Rathaus zu besetzen, wollen sie jetzt offenbar eine politische Partei gründen.

Aber, aber, meine Herren, die Bürger Kenias haben ja wohl das Recht auf eine vernünftige Erklärung der Notwendigkeit für solch radikale Änderungen. Brauchen wir sie wirklich? Können wir nicht korrigieren, was innerhalb der KANU womöglich wirklich nicht in Ordnung ist? Und wird es nach diesen Veränderungen in Kenia wirklich besser oder eher sogar schlechter aussehen? In den Worten des Propheten Jessaja: „Kommt, Brüder, laßt uns miteinander streiten.“

John F.Kennedy beschrieb sich einmal als „Idealist ohne Illusionen“. Einige der Befürworter eines Mehrparteiensystems können in Anlehnung daran am besten als „Illusionisten ohne Ideale“ beschrieben werden. Wenn die Muranga-Gruppe eine Partei gründen will, die sich auf Stammesloyalitäten stützt, dann macht sie das Falsche am falschen Ort. Es ist dies nur ein weiteres Beispiel dafür, daß der „Stamm“ sowohl Afrikas Segen ist als auch sein Fluch und beides wohl noch eine Zeit lang bleiben wird.

Der „Stamm“ steht im Zentrum fast aller afrikanischen Bürgerkriege, vom Bürgerkrieg im Kongo Anfang der sechziger Jahre über den nigerianischen Bürgerkrieg, die Watutsi-Wahutu-Massaker in Ruwanda/Burundi, die eritreische Situation in Äthiopien, den sudanesischen Bürgerkrieg bis hin zur Situation in Somalia und jetzt auch Liberia. Alles dies sind zeitgenössische Beispiele und keine Ereignisse von vor hundert Jahren.

Doch selbst wenn wir so tun könnten, als ob die neue Partei — oder die neuen Parteien — auf Ideologien und nicht auf Stammeszugehörigkeit gegründet sind: welche Ideologie könnte dann besser sein als der afrikanische Sozialismus der KANU?

KANUs afrikanischer Sozialismus ist links des politischen Zentrums angesiedelt. Wären die neuen Parteien links von linken, marxistischen Parteien anzusiedeln, oder wären sie vielleicht rechte Zentrumsparteien, die einige Millionäre und Großgrundbesitzer vertreten? Auf diese Fragen wollen die kenianischen Bürger eine Antwort haben.

Um zusammenzufassen: Die Zeit ist reif für Kenianer und Afrikaner insgesamt festzustellen, daß Parteien per se keine Demokratie garantieren. Diese kann nur garantiert werden durch eine Führung, die wir uns selber geben. Unter Führung der KANU als einziger Partei und mit Hilfe der Nyayo-Philosophie, die anderer Leute Wohlergehen als Imperativ hat, sind wir hier in Kenia auf dem besten Weg zur Überwindung der Stammesstrukturen.

Aber dieser Weg ist durchaus noch nicht zuende gegangen. Sobald man in Kenia eine nationale Geschlossenheit unter Ausschluß aller Stammesloyalitaten erreicht hat, kann man so viele Parteien gründen, wie man will. Bis dahin jedoch müssen wir vermeiden, nach ausländischer und manchmal verdächtig neo- kolonialistischer Pfeife zu tanzen. Wie sagt es ein populärer Reggae- Song von UB 40 schon: „We will build our own society. We will sing our own song“.

Aus: The Nairobi Law Monthly , No.23, April/Mai 1990.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen