: Hakenkreuze gegen Türken
■ Vor dem Amtsgericht: Schmierereien an einem türkischen Getränkegeschäft
„Herr Vorsitzender, ich bin kein Rassist, Ausländerfeind oder Nazi“, beteuerte der 38jährige Angeklagte Herbert J. gestern vor dem Bremer Amtsrichter Paul Kopmann und hatte er seine kaum 14jährige Tochter mitgebracht, die neben ihm auf der Anklagebank saß. J. soll im August vergangenen Jahres den türkischen Getränkehändler Y. mit einem Faustschlag niedergestreckt und drei Monate später die Scheibe des Geschäftes eingeschlagen und mit Hakenkreuzen und dem Wort „Türkenschwein“ verschmiert haben.
August 1991: Schützenfest in Huchting. Der 38jährige J. schickt seinen Sohn zu dem türkischen Getränkehändler Ibrahim Y. (50). Er soll dort Bier und Schnaps holen. Doch Y. will den Verrechnungsscheck des Jungen nicht annehmen. Für J. hatte er schon einmal angeschrieben, sein Geld aber nie wiedergesehen.
Wutentbrannt stürmt J. selbst eine halbe Stunde später in den Laden. Y. bleibt dabei: Kein Bier für Schecks. „Und plötzlich schlägt er mir die Faust ins Gesicht“, sagt Y. vor Gericht. Zwei Zeugen ,die im Laden waren, bestätigen diese Version.
J. selbst sagt, daß er von Y. bedroht worden sei. Tief in der Nacht läßt er sich zur Notaufnahme ins ZKH-St.-Jürgen - Straße fahren. Der Arzt bescheinigt ihm eine Wunde über dem Auge. Gegen 4.15 Uhr früh läßt J. sich von einem Taxi nach Hause bringen.
Anderntags stellt er eine Gegenazeige. Y. habe ihn mit einer Flasche geschlagen. Y. dagegen: „Wahrscheinlich hat er sich auf dem Schützenfest noch geprügelt.“ Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen für die Gegenanzeige ein.
Drei Monate später klirren in der Nacht vom 13. auf den 14. November im Laden des Y. die Scheiben. Zwei unbekannte Männer schmieren mit Farbe Hakenkreuze auf das Glas und das Wort 'Türkenschwein'. J. und sein Sohn sollen diese Tat begangen haben. Aber J. erklärt, daß er zu diesem Zeitpunkt „im Dämmerzustand“ im Bett gelegen habe. Nach Tabletten und Alkoholgenuß habe er den Notarzt gerufen, der ihm zusätzlich ein Schmerzmittel gespritzt habe. „Meine Frau und meine Kinder mußten mich ins Bett tragen“, erklärt er vor Gericht.
Der Arzt sagt aus, daß die Mischung der Medikamente an diesem Abend lange nicht so brisant sei. J. habe, wenn überhaupt, über leichte Ermüdungserscheinungen verfügen dürfen. Gegen 21.30 Uhr, so sagt es das Protokoll des Notarztes, sei J. behandelt worden, gegen 23.30 Uhr wurde in dem Geschäft geschmiert und gewütet.
Zwei Zeugen haben das gesehen. eine ältere Frau, die J. nicht mehr eindeutig identifizieren kann, und ein Student, der sich sicher an den Angeklagten erinnert.
Die ZuhörerInnen im vollbesetzten Gerichtssaal kommen auf ihre Kosten an diesem Vormittag. Ein seltsamer Vogel ist dieser J.: seit Jahren arbeitslos, ohne Beruf, vier Kinder, eine Frau. Vor Gericht führt er sich als Angeklagter ein bißchen auf wie Roland Freißler, fährt dem Y. über's Maul, beschuldigt ihn, die Zeugen beeinflußt zu haben. J. ist vorbestraft, schmeichelt auf eine dumpfe und dumme Art dem Gericht, will ironisch und witzig sein und ist nur peinlich. Und die Tochter sitzt daneben und muß das alles ertragen. M.B./mad
Der Prozeß wird am kommenden Dienstag um 14.00 Uhr in Raum 251 des AG weitergeführt
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