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NPD-Chef urteilt im Namen des Volkes

Amtsentbindung des ehrenamtlichen Richters und NPD-Landesvorsitzenden in NRW am Bochumer Arbeitsgericht vorerst gescheitert/ Landesarbeitsgericht hält rechtsradikale, ausländerfeindliche Agitation mit dem Richteramt für vereinbar  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

In der rechtsradikalen Szene steht sein Name für Kontinuität. Seit 1987 führt Peter Markert die nordrhein- westfälische NPD. Der „Aktion Volksbegehren“, die per Volksentscheid in NRW jegliche Duldung von abgelehnten Asylbewerbern verhindern und deren sofortige „Rückführung“ durchsetzen will, dient er als „Vertrauensmann“. Ein ausgewiesener rechtsradikaler Aktivist, dessen Name regelmäßig im Verfassungsschutzbericht genannt wird. Die ehrenamtlichen Richter des Arbeitsgerichts Bochum trauten ihren Ohren nicht, als sie vor wenigen Wochen von diesem politischen Engagement ihres „Kollegen“ Markert erfuhren.

Im Frühjahr 1990 hatte das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium den vom Deutschen Arbeitnehmerverband (DAV) vorgeschlagenen Markert zum ehrenamtlichen Arbeitsrichter ernannt. Seither darf Markert auch über die Kündigungen von ausländischen Arbeitnehmern mitentscheiden. Nachdem die Gewerkschaft ÖTV die Hintergründe Mitte Juli aufgedeckt und der Ausschuß der ehrenamtlichen Richter des Bochumer Arbeitsgerichts mit Streik gedroht hatte, wachte das Düsseldorfer Arbeitsministerium auf.

Rassistische Hetze kein Grund zur Abberufung

Schon wenige Tage später leitete das Ministerium beim Landesarbeitsgericht in Hamm die Amtsenthebung gegen Markert ein. Bei der Berufung sei dessen Betätigung in einer verfassungsfeindlichen Partei ebensowenig bekannt gewesen wie seine sonstigen politischen Aktivitäten. Auch von der ausländerfeindlichen „Aktion Volksbegehren“ habe man erst durch die ÖTV-Hinweise erfahren. Ein vom „Vertrauensmann“ Markert unterzeichnetes Flugblatt der Aktionsgemeinschaft legte das Arbeitsministerium dem Amtenthebungsantrag gleich bei. Abgelehnte Asylbewerber, so heißt es darin wörtlich, „beherrschen die Drogen- und Prostitutionszene und stellen wegen der in diesen Kreisen festgestellten hohen kriminellen Energie, die sich in vielen schweren Gewalttaten von Mord, Einbruch, Vergewaltigung bis zum Bank- und Straßenraub äußert, eine ständige Gefahr für die einheimische Bevölkerung dar“.

Beim Landesarbeitsgericht in Hamm blieb dieses Dokument rassistischer Hetze ohne jede Wirkung. Die 8. Kammer lehnte den Eilantrag aus Düsseldorf, den NPD-Chef bis zur endgültigen Entscheidung über die Amtsenthebung von weiteren Verfahren auszuschließen, rundweg ab. Von der „verständlichen Empörung“ über das politische Engagement des NPD- Vorsitzenden gehe zwar die Gefahr aus, daß der Gerichtsbetrieb wegen der Streikdrohung „schwer beeinträchtigt werde“, aber die geforderte Eilanordnung könne gleichwohl nicht erteilt werden. Die dürfe nur dann erlassen werden, so heißt es wörtlich in der Begründung, „wenn das Gericht dem Amtsentbindungsantrag eine gewisse Erfolgsaussicht beimißt. Daran fehlt es.“ Mit anderen Worten: Die Hammer Richter gehen davon aus, daß auch im Hauptverfahren — mit einem Urteil wird in den nächsten Wochen gerechnet — die Amtsenthebung nicht durchkommt.

Richterliche Unabhängigkeit

Begründet wird die Entscheidung mit der richterlichen Unabhängigkeit. Für die Dauer seiner vierjährigen Amtszeit genieße der ehrenamtliche Richter „dieselbe richterliche Unabhängigkeit wie der Berufsrichter“. Prinzipiell sei die Ernennung deshalb „unwiderruflich“. Im Gesetz genannte Amtsenthebungsgründe wie die Verurteilung zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe lägen bei Markert ebensowenig vor wie ein „fehlendes Wahlrecht zum Deutschen Bundestag“. Daß ehrenamtliche Richter — wie Berufsrichter auch — für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzustehen haben und bei ihrer politischen Betätigung zu einer gewissen Mäßigung verpflichtet sind, halten die LAG-Richter für nicht entscheidungsrelevant. Diese Pflicht zur politischen Zurückhaltung dürfe nicht auf Umwegen zu einem „Disziplinierungsinstrument“ gemacht werden, das die richterliche Unabhängigkeit „im Einzelfall ernstlich in Frage stellen könnte“. Politische, gewerkschaftliche, religiöse oder sozialpolitische Anschauungen oder Tätigkeiten könnten gründsätzlich nicht die Grundlage einer Amtsenthebung bilden, argumentieren die Richter der 8. Kammer mit Verweis auf die einschlägigen juristischen Kommentare.

„Möglicherweise“, so heißt es am Ende des schriftlichen Beschlusses, sei bei der Berufung von Markert „nicht ausreichend geprüft worden“, ob der vorschlagende DAV überhaupt im Sinne des Gesetzes vorschlagsberechtigt gewesen sei. „Aus heutiger Sicht“ hätte nach Überzeugung der Richter auch „Veranlassung bestanden“, die benannten DAV-Kandidaten zu überprüfen. Nachdem Markert aber berufen worden sei, genieße auch er „die zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit gewährleistete Amtsgarantie“.

Der Bochumer ÖTV-Bezirksvorsitzende Klaus Orth hat dem Düsseldorfer Gesundheitsminister Heinemann inzwischen vorgeworfen, bei der Berufung „politisch fahrlässig“ gehandelt zu haben. Berichte über NPD-Aktivisten in der Spitze des rund 5.000 Mitglieder starken DAV, einer Nachfolgeorganisation der Bergarbeiterunion, hatte Heinemann mindestens seit l990. Das geht aus einem Schriftwechsel zwischen dem Minister und der ÖTV hervor. In der Verbandszeitung des früher eher gediegen konservativ geprägten DAV erscheinen seit etwa vier Jahren rechtsradikale Parolen. Das hängt gewiß mit dem „DAV-Schriftleiter“ Lothar Ehrlichmann, einem langjährigen NPD-Aktivisten, zusammen.

Parteipolitische Machenschaften der NPD

Vom engen Bund zwischen DAV und NPD künden auch Anzeigen des Arbeitnehmerverbandes, die in NPD-Organen erscheinen. Markert selbst übt im DAV das Amt des „Organisationsbeauftragten“ aus.

Gegen diesen Bund formiert sich inzwischen innerverbandliche Kritik. Die „parteipolitischen Machenschaften der NPD-Leute“ will sich Heinz Petrick vom Bottroper DAV- Stadtverband nicht länger bieten lassen. Petrick und seine noch kleine Schar von Mitstreitern wollen den Ausschluß der NPD-Aktivisten durchsetzen. Von den insgesamt 1.900 ehrenamtlichen Arbeitsrichtern in NRW stammen sechs aus dem DAV. Acht weitere DAV-Leute sprechen an den Sozialgerichten im Namen des Volkes Recht. Das Düsseldorfer Arbeitsministerium will nun alle kleineren Verbände, die neben dem DGB und den etablierten Arbeitgeberorganisationen am Berufungsverfahren teilnehmen, auf ihre Berechtigung überprüfen.

Am Bochumer Arbeitsgericht pflegt der NPD-Chef unterdessen weiter die Rechtskultur. Markert werde nach dem üblichen Verteilungsplan „weiter eingesetzt“, sagte Arbeitsgerichtsdirektor Franz Josef Jasper der taz. Nach der LAG-Entscheidung könne man „nichts anderes tun“.

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