: Japans Banker fürchten deutschen Rassismus
Berlin (dpa/taz) — Japanische Geschäftsleute, als potentielle Investoren heftig umworben, haben zunehmend Angst, in Ostdeutschland mit Asylbewerbern oder vietnamesischen Gastarbeitern verwechselt zu werden. Firmenleitungen belehren ihre Ostdeutschland-Repräsentanten inzwischen mit Handzetteln, wie sie sich kleiden und wo sie sich aufhalten sollten. Dies verlautete jetzt in Berlin aus Kreisen japanischer Wertpapierhäuser. Zwar sei klar, daß nicht Japaner Ziele der Anschläge seien, jedoch würden sie häufig für Vietnamesen gehalten und daher angegriffen, hieß es.
Die japanischen Broker-Häuser gehen davon aus, daß die Ausschreitungen dem Standort Deutschland abträglich seien. Sie bestätigen damit Erfahrungen der westdeutschen Industrieverbände, deren Vertreter in der vergangenen Woche gegenüber der taz von einem immensen Imageverlust für Ostdeutschland gesprochen hatten.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) wird kommendes Wochenende nach Japan reisen, um für den Produktionsstandort Brandenburg zu werben. Nach Einschätzung eines Ministeriumssprechers muß sich Hirche aufgrund der Ausschreitungen auf kritische Fragen einstellen. Gerade die Japaner legten großen Wert auf höfliches Verhalten gegenüber Ausländern.
Hirche wolle aber gerade wegen der Unruhen klarmachen, daß Brandenburg ausländische Investoren weiterhin unterstütze und diese „nicht direkt“ von den Randalen betroffen seien. Im übrigen hätte sich Hirche bereits auf seiner letzten Japan-Reise ähnlichen Fragen stellen müssen, nur seien jetzt das Ausmaß der Randalen und das internationale Echo weitaus größer.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heiner Geißler, warnte am Montag vor möglichen negativen wirtschaftlichen Folgen. Diese Gefahr bestehe, wenn sich in der Welt herumspreche, daß in Deutschland der Rassismus auferstehe. „Jeder dritte Arbeitsplatz ist davon abhängig, daß Ausländer unsere Waren kaufen“, sagte Geißler in einem Interview der Leipziger Volkszeitung. Bereits im Oktober 1991 hatte die Wirtschaftswoche eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) veröffentlicht, nach der die Zuwanderer allein im vergangenen Jahr den Staats- und Sozialkassen 41 Milliarden Mark einbrachten — nach Abzug aller Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen. Außerdem ist von der Million Arbeitsplätzen, die mit Ausländern besetzt sind, eine weitere Million deutscher Arbeitsplätze direkt abhängig. Die Erfüllung der Forderung „Ausländer raus“ käme demnach einem gigantischen Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramm gleich. dri
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