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Keine Pistenverschönerer

■ Urban Sound Clash, eine riesige Party mit politischem Vermittler-Anspruch der DJs, am Neuen England-Anleger

, eine riesige Party mit politischem Vermittler-Anspruch der DJs, am Neuen England-Anleger

Die Betreiber der neuesten Hamburger Tanz- Clubs, sei es der Mojo-Club oder noch der Tempelhof, erkennen in den jüngsten Entwicklungen der Musik von Schwarzen ein lukratives Angebot. Um es zu sichern, vergeben sie Engagements an Türsteher, denen Sachkenntnis bedeutet, daß sie dem Publikum möglichst deutlich die Notwendigkeiten ihrer Arbeit vor Augen führen. Anders hält es eine Szene von Hamburger DJs und Musikern, die sich mit dem politischen und kulturellen Hintergrund dieser Musik beschäftigen und ihre Arbeit untrennbar damit verbunden sehen.

Anregung für ihren Urban Sound Clash, den sie fürs Publikum kostenlos veranstalten, lieferte ein Besuch des jährlich stattfindenden Karnevals im Londoner Stadtteil Notting Hill. Sound-Systems bilden dort einen festen Bestandteil der Festivitäten.

Die DJs bauen an diversen Ecken des Viertels riesige Boxentürme auf und liefern dem Publikum ihren Sound. Jede Crew ist spezialisiert auf eine bestimmte Spielart der schwarzen Musik, sei es Reggae, HipHop, Soul oder Ska. Die Beteiligten dort haben allerdings mehr Ambitionen, als einfach den Beweis für eine Vielzahl von musikalischen Genres zu führen. Hier erzählen Toaster und Rapper ihre Geschichten, geben Nachrichten aus den Gemeinden, beziehen Positionen und treten in einen „politischen“ Dialog.

Die Hamburger Initiatoren erkannten: Was sich in England als Fete darstellt, die vom Amusement zur Erkenntnis leitet, bedeutet hier, einen massiven, inhaltlichen Vorstoß zu wagen. Schließlich erreichen die Sound Systems am neuen England-Anleger ein Publikum, daß Vielfalt und Vielzahl als zusammengehörig betrachtet, sprich: dem es bei der Unterhaltung nur selten um Zusammenhänge geht.

Beim Urban Sound Clash übernimmt das Publikum, verhält es sich gemäß englischen Bräuchen, Aufgaben. Wenn die auftretenden Toaster die Wortfrequenz erhöhen, antworten Höher der Beschleunigung mit anschwellenden „Bow-Bow“-Rufen. Der DJ, der zur Spannungserhöhung eine Platte zunächst ohne Bässe durch die Gesangsanlage schickt, wird mit einem allgemeinen „Rewind!“ dazu aufgefordert, sie regulär und von vorn abzuspielen.

Von 14 bis 24 Uhr treten nun 14 Sound Systems an. Unter anderem: Groove City (Soul), Rulin' Sound (HipHop), Ministry of Silly Walks (Raggamuffin'), Groove Attack (Jazzbeats) oder Sakoni (Afrikan Music). Außerdem spielen dort noch folgende Bands: die Latin-Percussion- Combo Tambores Urbanos und die Raggamuffin'-Band Gracy and The Herbman Band. Eine Zeitschrift (Urban Sound Clash), der es wie den Veranstaltern um Vertiefung des soziokulturellen Hintergrundes der schwarzen Musik geht, ist dort erstmalig erhältlich. Bei diesem neuen Magazin sind weder Pistenverschönerer noch Kulturkollaborateure am Werk, sondern Leute, die eine engagierte Position mit Sachverstand verbinden. Alle: Achtung! Kristof Schreuf

12.9., Neuer England-Anleger, 14-24 Uhr, bei Regen in der Roten Flora

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