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DGB sieht „erfundene Skandale“

■ DGB-Kreisvorsitzender weist Vorwürfe der DAG zurück / „Nur Wahlkampf“

Mit schwerem Geschütz reagierte der Bremer DGB-Vorsitzende Siegfried Schmidt auf den Konflikt in der Angestelltenkammer. (vgl. taz 29.8./2.9.) Nur „Wahlkampf“ sei das, was die seit 1988 in den Kammer-Gremien in die Minderheit geratene Angestellten-Gewerkschaft (DAG) vorführe. Die Kammer habe dadurch schon „in der Öffentlichkeit Schaden genommen“. Die DAG arbeite dabei mit absurden und tatsachenwidrigen Aussagen“, mit „Rufmord“, „Beleidigungen und erfundenen Skandalen“. Den Angestellten würde eine „Schlammschlacht machtgeiler Gewerkschaftsapparate“ vorgeführt. Die Vorwürfe zur wirtschaftlichen Lage der Kammer seien „ungenießbare und unanständige Mischung von Halbund Unwahrheiten“, so Schmidt.

Die Vertreter der DAG in der Angestelltenkammer hatten berichtet, die zuständige Kammer- “Vollversammlung“ habe im August 1992 erfahren, daß der von ihr beschlossene Etat für 1991 um 2,1 Millionen überzogen worden sei. Gleichzeitig habe es im Vergleich zu den Haushaltsansätzen 1991 zusätzliche Einnahmen von 2,1 Millionen gegeben, über die das für den Haushalt zuständige Gremium nicht verfügen konnte, weil sie schon weg waren, als es im Sommer 1992 davon erfuhr: Einen Nachtragshaushalt gab es nicht.

Woher die DAG ihre „Horror- Zahlen“ nehme, sei ihm ein Rätsel, meinte DGB-Kreisvorsitzender und Angestelltenkammer- Vorstand Schmidt gestern. Fakt sei: die Sozialakademie der Angestelltenkammer habe ihren Etat 1991 um 1,3 Millionen überschritten, insgesamt sei die finanzielle Lage der Kammer aber gut und man habe aus Überschüssen insgesamt 700.000 Mark den Rücklagen zuführen können.

Der Pressesprecher der Kammer konnte gegenüber der taz das Rätsel lösen: Die DAG hatte die Zahlen aus der Bilanz der Angestelltenkammer, und Kammer- Vorstand Schmidt kennt möglicherweise die eigene Bilanz nicht. Dort stehen nämlich im Haushaltsplan für 1991 insgesamt 28 Millionen an Ausgaben, tatschlich wurden 31,8 Millionen ausgegeben. Einnahmen standen ebenfalls mit 28 Millionen im Plan, tatsächlich eingenommen wurden aber 31,6 Millionen. Bleibt ein Minus von 200.000 Mark, wie die DAG behauptet hatte und die Tatsache, daß die Mehreinnahmen von ca. 10 Prozent des Etats ohne ordentlichen Nachtragshaushalt ausgegeben wurden.

Zu dem Vorwurf der DAG, die Kammer verfüge über kein angemessenes Kosten-Controlling, erklärte der DGB-Vorsitzende, dies habe sie zu Zeiten der DAG- Mehrheit auch nicht gehabt. Über eine neue EDV-Anlage sollte 1993 ein zeitnaher Kostenüberblick möglich werden, grundsätzlich sei aber im Weiterbildungsbereich schlecht planen.

Kammer-Vorstandskollege Klaus Framke (HBV), der bei der Deutschen Bank beschäftigt, plädiert allerdings dafür, daß die Sozialakademie als GmbH verselbständigt und eine ordentliche kaufmännische Buchführung einführt. Framke (“ich als Banker“) zu den gegenwärtigen Zuständen: „Offensichtlich halten es der Öffentliche Dienst und die Gewerkschaften nicht für notwendig, eine vernünftige (kaufmännische) Buchführung zu machen.“ Die Angestelltenkammer wirtschafte „kameralistisch“, das heißt „so wie meine Frau, wenn sie ihren Haushalt führt. Ich bin gegen so eine Art.“

Für das Jahr 1992 wird die Angestelltenkammer auf ihrer nächste Sitzung einen Nachtragshaushalt beschließen. Allein die Zuschüsse für die Sozialakademie, die mit 1,3 Millionen geplant waren, werden derzeit auf 4,1 Millionen veranschlagt.

Neben dem Finanzgebaren hatte die DAG kritisiert, daß auf Vorstandsebene der Kammer seit Januar eine Änderung des Kammer-Gesetzes beraten wird, ohne daß der zuständige Rechtsausschuß der Kammer und damit DAG-Vertreter davon wußten. Dazu erklärte Siegfried Schmidt, daß im Juli, als der Gesetz-Entwurf fertiggestellt war, der Ausschuß nicht mehr in beschlußfähiger Form zusammenkommen konnte. K.W.

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