: Brandanschlag auf Skinheadprojekt
■ In der Nacht zum Donnerstag wurde die Marzahner »Wurzel« laut einem Bekennerschreiben von der »Roten Antifaschistischen Fraktion« in Brand gesetzt
Marzahn. Auf das Skinheadprojekt »Wurzel« in Marzahn wurde in der Nacht zum Donnerstag ein Brandanschlag verübt, zu dem sich in einem Schreiben die »Rote Antifaschistische Fraktion« bekannt hat. Unter der Leitung des Sozialarbeiters Michael Wieczorek arbeitet das »selbstverwaltete Jugendprojekt« seit Februar dieses Jahres mit rund zwanzig rechtsradikalen Jugendlichen. Gegen vier Uhr nachts, so Michael Wieczorek, sei eine Scheibe eingeschlagen worden und ein Kanister mit brennbarer Flüsigkeit sei in den Räumen »explodiert«. Nur knapp seien dabei drei Jugendliche schweren Verletzungen entgangen. Nach den Ereignissen in Rostock sei der »Wurzel« mehrfach mit Anschlägen gedroht worden, deswegen habe man Nachtwachen postiert. Die in Eigenarbeit renovierten Räumen glichen jetzt einer »schwarzen Höhle«: »Alles ist verrußt.« Gestern rechnete Wieczorek mit einem Sachschaden von »mindestens 60.000 Mark«.
In dem Bekennerschreiben werden die Räume in der Marzahner Dessauer Straße als »Faschistentreff« bezeichnet. Auch wenn die »meterhohen Stichflammen nicht die Reichsfahne am Mast« erreicht hätten, so stelle man doch »erfreut fest«, daß dieser jetzt zerstört sei und »erstmal die Basis fehlt, von der aus sie anders Aussehende und Denkende terrorisieren konnten«. Als Grund für den Anschlag nennt die »Rote Antifaschistische Fraktion«, daß es keinen Sinn mehr mache, »nur dort hinzufahren, wo die Faschisten gerade zuschlugen«. Es gehe darum, ihre Strukturen dort aufzudecken und zu zerstören, wo sie in Berlin und Brandenburg gut organisiert seien.
Der Leiter des Berliner Staatsschutzes, Dieter Piete, sagte gestern gegenüber der taz, daß ihm die Gruppe nicht bekannt sei. Piete befürchtete, daß ein »Aufschaukelungsprozeß« als Gegenbewegung auf rechte Gewalt in Gang komme. Bisher gebe es aber noch keine konkreten Erkenntnisse.
Die Anschuldigungen der »Roten Antifaschistischen Fraktion« wies Wieczorek gestern zurück: »Ich kann ganz sicher sagen, daß keiner von den Jungs in Rostock dabei war.« Außerdem wehe vor dem Gebäude »nicht die Reichskriegsflagge«, sondern es handele sich um »eine preußische Fahne in Schwarz-Weiß-Rot«. Ein weiterer Sozialarbeiter des Projektes sieht in dem Anschlag eine »Rache für Rostock«: »Wenn Ausländer brennen, sollen es auch die tun, die in den Augen einiger damit indentifiziert werden.« Zu den Ergebnissen einer Vollversammlung des Projekts am Donnerstag abend sagte er: »Es werden keine gewaltsamen Gegenaktionen geplant. Wir haben beschlossen, die ganze Kraft in den Wiederaufbau des Projektes zu stecken.«
Bereits Ende April geriet die »Wurzel« in die öffentliche Kritik. Während eines Stadtteilfestes in Marzahn präsentierte sich einer der Skinheads in einer SA-Uniform und hielt eine Rede — laut Wieczorek ein Ausrutscher. Skinhead Blacky habe nicht nur ihn überrumpelt, sondern auch die anderen Jugendlichen. Der für die Förderung des Projektes zuständige Bezirksstadtrat für Bildung, Wolfgang Unger (SPD), meinte, daß sich »solche Auftritte nicht mit dem Projekt vereinbaren lassen.« Auch die Marzahner Bevölkerung habe dagegen protestiert, aber ein »Umdenken lasse sich nicht von heute auf morgen« erreichen. Er plädierte für einen »Wandel durch Annäherung«. Ralf Knüfer
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