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Fast wie im Leben

■ »Volltreffer« — Jugendtheater über Sexualität

Ach, wenn's doch im Leben so einfach wie auf dem Theater wäre! Dann gäbe es eigentlich keine Probleme, auch dann nicht, wenn Du siebzehn bist und schwanger wirst. Da könntest Du eher zum Spaß darüber nachdenken, ob Du das Kind willst oder doch lieber abtreibst. Sozusagen über Nacht hättest Du eine Eingebung und fändest Dich in der Klinik wieder, um das Kind zu gebären. Wenn das Baby dann auf der Welt ist, gibt's zwar einige Schwierigkeiten, aber die lassen sich ganz einfach lösen: Das Kind wird zum Vater gebracht, der achtzehn ist, gerade vor dem Abitur steht und bis zu diesem Zeitpunkt gar nichts mit dem Nachwuchs zu tun haben wollte. Alles kein Problem — auch der Superpapa schafft's. Und wenn er wirklich mal verzweifelt, hat er ja gute Freunde, die ihm weiterhelfen.

Und da wir wirklich im »Fliegenden Theater«, nicht etwa mitten im Leben sind, gibt's zwischendurch ein paar lustige Gags und spritzige Songs, die mehr oder weniger mit der Geschichte zu tun haben, eine Portion unverbindliche Lockerheit und natürlich viel Szenenapplaus.

Das Stück »Volltreffer« ist für Jugendliche ab fünfzehn geschrieben. Gemischt aus festen Textvorgaben und Improvisationsszenen, bedient es sich der Alltagssprache des Zielpublikums und versucht, alle Probleme, die Jung und Alt in Liebes- und anderen Beziehungsfragen miteinander haben könnten, in 90 Minuten Spieldauer abzuhaken. Die vier Darsteller der »Theater-Produktion Strahl« spielen alle ihre vielen Rollen mit großem Einsatz und sichtbarer Freude. Niemandem scheint während der Proben aufgefallen zu sein, daß die Probleme, die wirklich mit der dem Stück zugrundeliegenden Situation auf die, die's angeht, zukommen, verniedlicht und verharmlost werden. Was heißt es denn real, wenn ein Mädchen schwanger wird? Wenn ihr Freund die Schultern zuckt und abhaut? Wer hilft ihr, wenn sie abtreiben will, und wer vor allem hilft ihr, wenn sie das Kind allein kriegen will?! Lauter Fragen, die die Inszenierung entweder gar nicht stellt oder frecherweise mit dummen Sprüchen beantwortet.

Die Figuren, allen voran die Erwachsenen, sind stark überzeichnet. Mag sein, daß Teenies ihre Eltern so sehen. Auf der Bühne verkommen die Väter und Mütter aber zu Karikaturen. Sie werden auf eine Art und Weise denunziert, die ihnen nicht gerecht wird und die dann noch die zu erzählende Geschichte verzerrt.

Die »Theater-Produktion Strahl« war sich am Premierenabend im Fliegenden Theater der Gunst des Publikums sicher. Der Applaus während und nach der Vorstellung bewies es. Ein wirklich produktiver Beitrag zur Debatte um Geschlechterverhalten, ungewollte Schwangerschaft und Paragraph 218 ist diese Inszenierung denoch nicht. Nicht wenn man es sich selbst und den Zuschauern so leicht macht. Sibylle Burkert

»Volltreffer — Ein Jugendstück über Sexualität«, bis 11.9. jeweils 10Uhr; 12. und 13.9. jeweils 19.30Uhr. Fliegendes Theater, Körtestraße 17.

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