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In Tadschikistan droht ein Bürgerkrieg

Die Gegensätze zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden des Landes werden durch den Sturz von Präsident Nabijew nicht gelöst/ Islamische Partei ist stärkste politische Kraft  ■ Aus Moskau K.-H.Donath

„Ich habe mich entschlossen, angesichts der politischen Lage, im Interesse einer Stabilisierung und um dem Brudermord ein Ende zu machen, meine Vollmachten als Präsident niederzulegen“, verkündete Tadschikistans Präsident Rachmon Nabijew in einer Fernsehansprache am Montag abend. Eine klare Aussage, aber: In diesem Jahr gab es schon zweimal Gerüchte, Nabijew habe abgedankt. Und zweimal tauchte er wieder auf. Diesmal jedoch scheint er tatsächlich gegangen zu sein. In den letzten Monaten hatte der orthodoxe Kommunist nach Ansicht „gut informierter Kreise“ kaum noch selbst Entscheidungen getroffen, faktisch sei er machtlos gewesen.

Und auch eine Übergangsregierung ist schon in Planung: Die Opposition aus der Demokratischen Partei und der Partei der Islamischen Wiedergeburt will einen Staatsrat bilden, der bis zu den Wahlen am 13.Dezember die Amtsgeschäfte führen soll. Die Regierungsvollmachten wurden dem Parlamentsvorsitzenden Iskandarow übertragen. Bei seiner Kandidatur um den Vorsitz war er der Kompromißkandidat aller Fraktionen des Obersten Sowjet, in diesem haben die Kommunisten weiterhin eine satte Mehrheit.

Doch im Unterschied zu den meisten anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist in Tadschikistan der Kampf zwischen Opposition und Kommunisten schon lange kein bloßes Gefecht um die Ablösung der alten Herrschaftsriege mehr. In Tadschikistan kündigt sich ein Bürgerkrieg an, der von alten tribalistischen und regionalen Rivalitäten bestimmt werden wird.

Die Führungsschicht des an Afghanistan grenzenden Bergstaates stammte in der Sowjetzeit aus dem industrialisierten Norden des Landes. Aus Leninabad, dem heutigen Chodschent. Neben Tadschiken und Russen leben hier über 20 Prozent Usbeken, die zwar den islamischen Glauben mit den Tadschiken teilen. Im Gegensatz zu den Tadschiken, die den persischen Dialekt Dari sprechen, sind sie aber turksprachig. Beide Völker waren sich in den letzten Jahren nicht gerade freundlich gesinnt, es kam zu mehreren „bewaffneten Zusammenstößen“.

Der Süden der ohnehin schon ärmsten Sowjetrepublik war immer das Armenhaus Tadschikistans. Rivalitäten gegenüber der Hauptstadt und dem reichen Norden standen auf der Tagesordnung. Nach dem Zerfall der UdSSR wurde die Lage noch unübersichtlicher. Die südliche Region um Kurgan Tjube schloß sich der demokratischen und islamischen Opposition in Duschanbe an. Das südöstlicher gelegene Gebiet um den Ort Kulab ging eine Interessenunion mit dem Norden ein, während die Stämme des Ostens aus den Bergen des Pamir die Reihen der Opposition säumten. Hier wie auch in Chodschent droht man mit einer Abspaltung von Tadschikistan.

Ungewiß ist außerdem der Ausgang der tribalistischen und politischen Zwistigkeiten. Mit Sicherheit stellt die Islamische Partei unter ihrem Vorsitzenden Davlat Usman die stärkste politische Kraft dar. Einflußreichster Mann in Duschanbe ist heute der Kazi-Mulla Chojiakbar Turajonzoda, der auch ein Parlamentsmandat innehat. Noch weisen die tadschikischen Islamisten eine Übernahme des iranischen Modells weit von sich. Sie beharren öffentlich auf einer Trennung von Staat und Moschee. Obwohl alle an Allah glauben, sei keiner auf einen Gottesstaat vorbereitet. Erst müsse das alte System zerschlagen werden, solange wird man mit der demokratischen Opposition zusammen marschieren.

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