: Peterchens Länderreise
■ Mauricio Kagel stellte seine Komposition Mare Nostrum vor
vor
„Der Amerikaner, der den Columbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung“ - dieser Einsicht Lichtenbergs würde der Komponist Mauricio Kagel wohl sofort zustimmen. Jedenfalls läßt das seine „Hörspiel-Komposition“ Mare Nostrum vermuten, die jetzt im NDR- Studio Oberstraße vorgestellt wurde. Schon 1973/75 hatte sich der gebürtige Argentinier damit eines Themas angenommen, das die fiktive Verkehrung des Blickes, eine Fokussierung des weißhäutigen Kolonisatoren aus den Augen der „Wilden“, zum Inhalt hatte.
Der gebürtige Argentinier, der gerne mit allerlei Zwischenformen Grenzen überschreitet, greift auch hier auf spielerische Elemente zurück. Sein „sitzendes Musiktheater“ (Kagel) besteht an diesem Abend aus den sechs Mitgliedern des überaus präzis musizierenden Ensemble Moderne, zwei (sitzenden) Sängern, einer ganzen Anzahl von Handrequisiten und Kagel selbst.
Mare Nostrum, die lateinische Bezeichnung für Mittelmeer, erzählt davon, wie ein Stamm aus Amazonien in den Mittelmeerraum einfällt, um die dortigen „Hochkulturen“ zu zivilisieren. Ein Chronist, hier vom Bariton Klaus Hirte dargestellt, beschreibt das imperiale Unternehmen seiner Stammesbrüder. Eine zweite Rolle, von Countertenor Axel Köhler souverän gestaltet, dokumentiert die (ziemlich blöden) Weißen.
Am lockeren Faden der Länderreise - einmal rund ums Mittelmeer - schafft sich der Librettist Kagel so die Möglichkeit, sein kompositorisches Geschick zu entfalten. Doch trotz aller Unkonventionalität des Musizierens, des Klopfens, Schnalzens und Jaulens, trotz aller musikalischen Realsatire kommt am Ende nicht mehr heraus als ein kulturkritsch bewegtes Peterchen und der Wolf für Erwachsene. Im Laufe des Stückes entpuppt es sich zunehmend als gesuchte Gelegenheit für kompositorischen Witz. Da hilft auch nicht ein geschichtlicher Durchstoß ohnegleichen: meines Wissens der erste Totalstrip eines Countertenors überhaupt. Stefan Rosinski
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