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Stadtwerke führen Bürgermeister vor

■ Halber Strompreis entgegen eigener Aussage immer noch wirksam / Stadtwerke: „Kein Anlaß“

Bürgermeister Klaus Wedemeier hat der Bremischen Bürgerschaft die Unwahrheit gesagt. In einer Aktuellen Stunde Ende August hatte Wedemeier behauptet, daß er seit dem 26.3.1992 den normalen Stromtarif bezahle. Tatsächlich zahlt der Bürgermeister auch heute noch den Spartarif.

Für die Fortsetzung der Billigstromaffäre sorgten die Stadtwerke selbst. Nach den Presseveröffentlichungen hatte das Unternehmen eine Mitarbeiterin suspendiert. Ihr wird vorgewor

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Stadtwerke“ muß lesbar sein

fen, Einsicht in Wedemeiers Kundenkonto genommen zu haben und die Erkenntnisse an die Presse weitergegeben zu haben. (s. Kasten) Die Frau klagte vor dem Arbeitsgericht, gestern fand die Verhandlung statt. Dabei präsentierte ihr Anwalt, Klaus Richter, einen Brief von Stadtwerkevorstand Jörg Willipinski an Bürgermeister Klaus Wedemeier. Dort behauptet Willipinski, er habe sichergestellt, daß Wedemeier nach dem 26.3.1992 den vollen Tarif bezahlt. Wörtlich heißt es: „Nach der Bürgerschaftsanfrage der Abgeordneten Frau Hackstein, habe ich vorsichtshalber noch einmal interveniert, daß in keinem Fall über den 30.6.1992 die Bestimmungen des Werktarifs abgerechnet wird. Diese Vorgabe war tatsächlich nicht notwendig, weil bereits seit dem 26.3.1992 nach den für alle Tarifkunden geltenden Bestimmungen verfahren wird. Die zusätzliche Intervention diente ausschließlich dazu, zu verhindern, daß eventuell gerade vorgenommene oder kurz bevorstehende Abrechnungen irrtümlich noch nach dem Werkstarif vorgenommen werden.“

Diese Passage veranlaßte Anwalt Richter zu der Frage, was denn die von den Stadtwerken Verdächtige an die Presse hätte geben sollen, wenn Wedemeier den normalen Tarif bezahle. Richter: „Entweder lügt Herr Willipinski oder es ist geändert worden. Dann kann der Billigtarif aber nicht mehr abgefragt werden.“ Darauf der Rechtsvertreter der Stadtwerke: „Wegen der verwaltungsmäßigen Abwicklung war am 7.Juli noch der Werktarif im Computer.“ Darauf Arbeitsrichter Wessner: „Offensichtlich versuchen die Stadtwerke, etwas geheim zu halten, was sie selbst als skandalös empfinden.“

Auf Nachfrage verteidigte sich Jörg Willipinski gestern mit der Bemerkung, daß die Änderung erst mit Wedemeiers Abrechnung im kommenden Jahr wirksam werde. Auf die Frage, warum er Wedemeiers Begehren vom 24.2. nicht entsprochen habe, den Werktarif sofort zu beenden, antwortete er: „Dazu hatte ich keine Veranlassung, weil ich das nicht so verstanden habe.“ In dem Willipinski-Brief liest sich das freilich etwas anders. Über das Februar-Gespräch schreibt der Stadtwerke-Vorstand: „Sie haben darum gebeten, diese Praxis für alle Betroffenen einzustellen, für sich selbst sofort.“ Und weiter: „Ich habe seinerzeit (...) sichergestellt, daß bei allen Betroffenen für den neuen Abrechnungszeitraum der Werktarif nicht mehr angewendet wird.“

Noch in einem anderen Grund hat Willipinski ausgesprochen lax formuliert. Grobecker „erhielt den Werktarif für Strom und Gas bis zum 30.6.1992.“ Gestern sagte Willipinski, daß im Fall Grobecker wegen einer technischen Besonderheit erst im Spätherbst nach einer neuen Regelung gesucht werden soll. hbk

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