: Die Umschaltquote
■ Der Berner Pianist und Kabarettist Christian Überschall gastiert im Mehringhof
Ob das nun ein spezielles Merkmal schweizerischen Humors ist oder nicht — eins hat der gebürtige Berner und Wahl— Münchner Christian Überschall jedenfalls mit seinen britischen Zeitgenossen gemeinsam: Seine Vorliebe für Understatement. Als Gast in einer Fernsehsendung würde er sicherlich hohe Umschaltquoten erzielen und dabei höchstens noch vom Testbild übertroffen werden — das weiß er genau. Und hat damit vielleicht nicht einmal unrecht. Seinen Nachnamen darf man sich nur mit einem Minuszeichen versehen vorstellen: Christian Überschall kennzeichnet — neben dem rachenbetonten Idiom — eine stoische Ruhe (»Kommen Sie einem Schweizer nie mit Schnecken. Wir mögen diese zappeligen Tierchen nicht.«). Auch erliegt er nicht der Versuchung, seinem Programm einen sozialdemokratischen Weltverbesserungs-Nimbus aufzudrücken. Keine Politiker-Parodien, keine Betroffenheitslyrik, keine Meinungsbildung für das Publikum. Christian Überschalls Kabarett ist eine lose Folge persönlicher, trocken-komischer Anekdoten ohne spektakuläre Erkenntnisse oder deutlich wahrnehmbare Höhepunkte.
Seine Stärken liegen im Aufzeigen von Realsatire. So hat er sich zum Beispiel selbst als Rezensent betätigt und das »Zentralorgan der mitesserbekämpfenden Generation« auseinandergenommen, die Bravo. Männerfeindliche Werbeslogans (»Meine Pickel bin ich los. Aber was mache ich mit Fred«), kryptische Modetips (»Latzhosen mit Ethno- Anhängern«) oder drei mögliche Antworten auf die Frage »Bist du noch Jungfrau«: Das muß nur verlesen werden, bedarf keiner weiteren Erklärung, und so einfach wie wirkungsvoll gestaltet sich der größte Teil des Abends.
Christian Überschall ist mehr das freundliche Gegenüber am Kneipentisch als der zynisch-böse Gesellschaftskritiker. Und wie in Kneipengesprächen landet auch bei ihm nicht jede Pointe dort, wo sie landen soll, geht unter oder überschreitet (wenn auch selten) das zu ertragende Kalauermaß. Aber diese unprätentiöse Form von Kabarett ist allemal sympathischer als die forcierten Wortklaubereien und nichtsnutzigen Parolen, die üblicherweise mit dem Genre verbunden werden. Anja Poschen
Mittwoch bis Sonntag, 21 Uhr, Gneisenaustraße 2a, bis 20.9.
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