: Vorlauf
■ "Schlag ihn zu wie 'n Klodeckel" * "Karate-Tiger IV", RTLplus, 22.10 Uhr
Es geht um nichts als nackte Gewalt, um hemmungsloses Aufeinandereinprügeln und Einander-in-die- Fresse-Treten. Kaschiert wird das Ganze, wie üblich bei den jüngeren Filmen aus dem Karate-Genre, als sportiver Wettkampf. Diesmal: USA gegen Korea.
Die jeweils fünf besten Kämpfer treten gegeneinander an. Top- Fighter auf seiten des US-Teams ist Eric Roberts (Bruder von Julia Roberts). Wenn die Supermänner gerade keine Schlägereien anzetteln, reißen sie eben Weiber auf („da gibt's fleischige Hühner“). Daneben eher lockeres Training.
Die Vorbereitung der Koreaner verläuft wesentlich härter und vor allem: ungleich fanatischer. Auffallend ein besonders unsympathisches „Schlitzauge“ (er hat tatsächlich nur ein Auge): Dieser „Brutal-Fiesling“ hat in einem früheren Kampf den Bruder eines US-Boys erschlagen.
Showdown in Seoul: Die Koreaner liegen vorn. Den Faustschlägen und Fußtritten aus dem Arsenal des Taekwondo — volle Kanne und meist mitten ins Gesicht — haben die US- Fighter zunächst nur wenig entgegenzusetzen. Bis auf Eric, der trotz kaputtgetretenen Schlüsselbeins und höllischer Schmerzen seinen Gegner aus dem Ring katapultiert. Der „Fiesling“ wird in mörderischem Zweikampf zum Krüppel geschlagen, nicht aber, wie es eigentlich anstünde („Schlag ihn zu wie 'n Klodeckel!“), getötet. Aus allen Löchern blutend, humpelt er auf seinen hochherzigen Widersacher zu und bittet ihn, sein Bruder werden zu dürfen: Karate ist eben wahre Charakterbildung.
RTLplus-Programmdirektor Helmut Thoma scheut sich nicht, wie kürzlich auf einer Tagung in München, derlei Brutalstreifen verharmlosend mit Grimmschen Märchen („auch nichts anderes als Hänsel und Gretel“) zu vergleichen [kann es sein, daß er gar keine märchen kennt?, d. s-in]. Damit freilich zeigt er, daß er von Medienwirkungsforschung keine Ahnung hat — sprich: haben will. Gerade Filme aus dem Karate- und Kickbox-Genre gelten als besonders gefährlich: Die von Leinwandhelden wie Bruce Lee, Chuck Norris oder Jean-Claude VanDamme vorgeführten Faustschläge und Fußtritte können relativ leicht nachgeahmt werden. Galt es vor rund zwanzig Jahren noch als unfair oder feige, sich bei Rangeleien mit Füßen zu treten, so ist solch fernöstlich angehauchte Form des Zweikampfes heute auf jedem Schulhof und sogar schon im Kindergarten zu beobachten. Die verrohende und brutalisierende Wirkung gerade der sogenannten Eastern steht außer Zweifel: Unlängst überfiel eine Gruppe von drei Elf- bis Dreizehnjährigen in München eine 77jährige Frau, um ihr die Handtasche zu rauben. Einer der „Mini-Rambos“, wie sie von der Boulevardpresse bezeichnet wurden, sprang der Rentnerin in Karate-Manier mit ausgestrecktem Bein ins Kreuz. Die alte Dame stürzte und verletzte sich schwer. Der Brutal-Streifen „Karate-TigerIV“ ist im übrigen „ab 16 Jahren“ freigegeben und darf im normalen Abendprogramm ausgestrahlt werden. Colin Goldner
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