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Leipzig feuert DRK-Betreuer eines Roma-Lagers

Haushaltslage der Stadt Leipzig läßt Finanzierung von Betreuerstellen für Asylbewerber angeblich nicht zu/ Das Rote Kreuz finanzierte die Stellen mit 130.000 Mark vor/ Stadtverwaltung wirft den Mitarbeitern Verletzung der Aufsichtspflicht vor  ■ Aus Leipzig Nana Brink

Bislang brüstete sich die Stadt Leipzig — oder besser ihre Lokalpolitiker— damit, nicht an vorderster Front die Schlagzeilen mit gewalttätigen Ausschreitungen gegen Asylbewerber zu füllen. Die Welle der Gewalt wie in Eisenhüttenstadt oder jüngst in Halle gehe scheinbar an Leipzig vorbei. Der Brandanschlag auf eine Wagenburg in Holzhausen, knapp 10 Kilometer vor der Stadt, war letzte Woche der „einzige Vorfall“. Die Bewohner konnten sich noch in Sicherheit bringen, ihr Hab und Gut allerdings ging in Flammen auf. Die lokale Presse druckte daraufhin die Versicherung des Oberbürgermeisters ab, daß die Sicherheit der knapp 600 in Leipzig untergebrachten Asylbewerber nicht gefährdet und die „Verwaltung für die anstehenden Probleme sensibilisiert“ sei. Im Widerspruch dazu steht die jüngste Entscheidung der Verwaltung: Mit Wirkung zum 31.Oktober kündigte die Stadt dem Deutschen Roten Kreuz die Betreuerverträge für ein Wagenburglager in der Teslastraße. Derzeit kümmern sich dort sieben DRK-Mitarbeiter um 287 rumänische Roma. Auf Grund der angespannten Haushaltslage vermuten nun die Betreuer, daß ihre Stellen nicht neu besetzt werden. Der zuständige Dezernent für Sicherheit, Recht und Ordnung ließ verlauten, man wolle die „Gesamtregie dieses Lagers künftig in eine Hand geben“.

Kommt sie in die Hände des jetzigen Betreibers des Lagers, einem Privatunternehmer aus Pirmasens, kann von einer Betreuung der Asylbewerber nicht die Rede sein. Nämlicher Pächter unterhält bereits eine ähnliche Wagenburg in Markkleeberg — mit einer einzigen Betreuerin. Äußerungen des Privatunternehmers, der 12,50 DM pro Tag und Asylbewerber von der Stadt kassiert, wie „Zigeuner sollen nicht betreut, sondern verwaltet werden“, seien noch die harmlosesten, berichten die DRK-Mitarbeiter der Teslastraße. Spannungen hatte es dort immer wieder gegeben. Der Pächter, der neben dem Hausmeister und zwei Reinigungskräften auch ein vierköpfiges Bewacherteam stellt, beschuldigte die DRK-Betreuerin, ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen zu sein. Monatlich entstehe ein Schaden von 17.000 Mark durch die Entwendung von technischen Geräten aus den Wohnwagen. Die DRK-Leute hingegen beschuldigen das Personal, sich so gut wie nicht um die baulichen wie sanitären Einrichtungen zu kümmern. In der letzten Zeit häuften sich Klagen von Anwohnern über die hygienischen Verhältnisse innerhalb des Areals und im Umfeld— die Wagensiedlung ist von Autowracks und Müllhaufen umsäumt.

Keinen Hehl machen selbst die DRK-Mitarbeiter aus der „problematischen Situation“. Zwar habe man die Hausordnung auf rumänisch übersetzt, sie werde aber gerade von den Kindern — beispielsweise bei der Benutzung der Toiletten — nicht immer beachtet. Überdies sei bekannt, daß sich viele Illegale hier aufhielten, ebenso seien Waffen gefunden worden. All das habe man aber bereits mehrfach den entsprechenden städtischen Behörden mitgeteilt.

Interessant ist nun die Begründung der Kündigung durch die Stadt, die dem DRK letzte Woche auf den Tisch flatterte. Eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ sei aus folgenden Gründen nicht mehr gegeben: Die „Pflichtwahrnehmung“ in der Betreuungsarbeit habe zu „mehreren Kritiken Anlaß gegeben“, da die DRK-Betreuer nur bis 17 Uhr und an den Wochenenden nur „höchst selten“ vor Ort seien. Ebenso habe es Kompetenzüberschreitungen und „gegen die Interessen der Stadt gerichtetes Handeln“ gegeben, da Mitarbeiter des DRK „eigene Kontakte zur Zentralen Aufnahmestelle in Chemnitz herstellen sowie den Aufenthalt ausgewiesener Roma im Asylbewerberheim tolerieren“. Überdies wird das DRK für die „bedenklichen hygienischen Verhältnisse“ verantwortlich gemacht.

Für den Leiter des Leipziger DRK, Reinhardt Bornemann, ist die Kündigung „an den Haaren herbeigezogen“. Dienstbuchauszüge sollen nun die Präsenz der Betreuer nachweisen, die „überhaupt die einzigen sind, die sich Grundkenntnisse in der rumänischen Sprache angeeignet haben und mittlerweile eine Vertrauensfunktion innerhalb des Lagers einnehmen“. Da es keinen Dolmetscher gebe und etwa 75 Prozent der Bewohner der Wagensiedlung Analphabeten seien, würde es zu großen Konflikten kommen, müßten die DRK-Leute das Feld räumen. Unter Verweis auf den mit der Stadt abgeschlossenen Vertrag stellte Bornemann fest, daß das DRK nicht für die hygienischen Verhältnisse verantwortlich zu machen sei, ebensowenig wie für Einrichtungsschäden. Zum Vorwurf der Kompetenzüberschreitung sei dem DRK nur ein einziger Fall bekannt, wo eine Mitarbeiterin „aus menschlichen Gründen“ eine Familienzusammenführung unter Umgehung der Ausländerbehörde ermöglicht habe.

Mittlerweile bestätigte das Ordnungsdezernat den Verdacht des DRK, daß die Finanzierung der DRK-Stellen durch die Stadt von Anfang an nicht abgesichert war, da die zugesagten Mittel vom Regierungspräsidium bislang nicht überwiesen wurden. Noch hat die Stadt allerdings keinen Pfennig für die Betreuung der Asylbewerber in der Teslastraße ausgegeben. Das DRK finanziert seit Oktober 1991 seine Stellen mit insgesamt 130.000 Mark vor.

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