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Die Generäle haben sehr viel zu verlieren

■ Übergangspremier Anand leitete demokratische Reformen ein/ „Nebenverdienste“ der Militärs

Bangkok/Berlin (taz) — Selten war in Thailand ein Regierungschef so unumstritten wie der amtierende Übergangspremier Anand Panyarachun. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der thailändischen Politik, daß seine Ernennung nach dem Massaker vom Mai auch von der Opposition begrüßt wurde, die kurz zuvor noch gegen einen ungewählten Politiker an der Regierungsspitze demonstriert hatte. Der Geschäftsmann und Ex-Diplomat verfügte nicht über ein Mandat der Bevölkerung, aber über einen guten Ruf. Dieser stammte aus seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident. Nach dem Februarputsch von 1991 hatten ihn die Generäle auf diesen Posten gesetzt, mußten jedoch bald feststellen, daß er sich nicht so biegsam zeigte, wie sie sich das erhofft hatten.

So widersetzte er sich wiederholt den immer unersättlicheren Wünschen der Militärs, wenn sie für ihre umfangreichen Waffenkäufe in die Staatskasse greifen wollten. Dies mußte die Generäle schmerzen, ist doch die Beschaffung eine der erträglichsten Einkommensquellen. Nach Informationen der Hongkonger Far Eastern Economic Review sind hohe „Kommissionen“ an die entscheidenden Offiziere üblich. Italienische, französische und israelische Firmen zeigten sich da am großzügigsten, aber auch die Chinesen seien nicht knauserig. Durchschnittlich gelangten bei jedem abgeschlossenen Handel 15 bis 20 Prozent der Kaufsumme in die Taschen hochrangiger Militärs. Die Höhe dieser „Nebeneinkünfte“ orientierte sich am Dienstgrad der Offiziere und an ihrer Rolle beim Zustandekommen des Vertrages, wobei der Oberbefehlshaber der Armee und die Chefs der drei Waffengattungen zu den Spitzenverdienern zählten. „Waffenhändler schätzen, daß diese höchstrangen Militärs bis zu 50 bis 100 Millionen US-Dollar durch Kommissionen und anderweitige Geschäfte innerhalb einer normalen drei- bis vierjährigen Amtszeit verdienen können“, schreibt das Hongkonger Magazin. Davon geht ein Teil an die Untergebenen der glücklichen Empfänger, was die sprichwörtliche Loyalität innerhalb der militärischen Seilschaften wohl festigen mag.

Anand, der geschworen hat, er wolle nie wieder Premier werden, hat nach dem Sturz des Putschistengenerals Suchinda im August auch Armeechef Issarapong und Luftwaffenchef Kaset auf ein Nebengleis versetzt. Beide sind neben Suchinda als Hauptverantwortliche des Massakers in der Bevölkerung verhaßt. Am Donnerstag wurden weitere 557 Offiziere ihrer Ämter enthoben. In den vergangenen Monaten war mit dem Hinauswurf der Generäle aus den Vorständen der Telefon- und Eisenbahnorganisation sowie der lukrativen Thai Fluggesellschaft damit begonnen worden, die Staatsbetriebe dem Kommando und der Plünderung ihrer Kassen durch die Militärs zu entziehen. Das Kommando, welches in Zeiten „nationalen Notstands“ dem thailändischen Premier erlaubt, am Parlament und Kabinett vorbei den Einsatz von Militär zur „Aufstandsbekämpfung“ zu verfügen, wurde aufgelöst.

Viel Sprengstoff liegt noch in der Forderung einiger Politiker, das von Suchinda kurz vor seinem Sturz verabschiedete Amnestiegesetz zu annullieren und die Verantwortlichen des Massakers vor Gericht zu stellen. J.Lietsch/P.Simon

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