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„Psychische Dienstflucht“ vor Gericht

■ Totalverweigerer setzte seine Zivildienst-Arbeit auf freier Basis fort

Am 29. Mai 1990 hatte Jörn O., zu diesem Zeitpunkt Zivildienstleistender, gegenüber dem Bundesamt für Zivildienst erklärt, daß er seine Dienstverpflichtung widerrufe, allerdings seine tatsächliche Arbeit beim „Verein Sozialer Friedensdienst“ (SFD) weiter leisten wolle — ohne Sold. Dies „aus denselben Gründen, aus denen ich auch den Dienst mit der Waffe ablehne“. Der Verein beschäftigte Jörn O. seitdem als freien Mitarbeiter. Ein Jahr später reagierte das Bundesamt mit der Strafanzeige „Dienstflucht“.

Rechtsanwalt Günther Werner verwies am Freitag vor dem Blumenthaler Amtsgericht, das den Prozeß gegen Jörn O. führt, darauf, daß ein ähnliches Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Aurich von der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg eingestellt worden sei. „Psychische Abwesenheit ist kein Straftatbestand im deutschen Recht“ zitierte der Anwalt aus dem Oldenburger Urteil. „Ich kenne diesen Prozeß nicht“, erwiderte Richter Pavlik, früher CDU-Bürgerschaftsabgeordneter. „Aber so einfach werde ich es mir nicht machen.“

„Die Tätigkeit als solche halte ich für sinnvoll“ betonte Jörn O. vor dem Gericht. „Nicht aber den Zivildienst“, weil dieser „für den Spannungs- und Kriegsfall eingeplant“ ist. „Sie haben aber damit gegen geltendes Recht verstoßen“, hielt Richter Pawlik ihm vor. Jörn O. berief sich auf sein Gewissen: „Ich wollte es erst nicht glauben, als ich erfuhr, daß der Zivildienst für den Ernstfall mitverplant ist. Aber dann ging es einfach nicht mehr“.

Richter Pavlik vertagte den Prozeß, um sich Einsicht in die Oldenburger Gerichtsakten zu verschaffen. M.B.

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